Düsseldorf. . Wenn Liebe aus dem Rahmen fällt: An der Rheinoper macht Villazóns „Don Pasquale“ Kunstraub zum Opernstoff, mit zirkusreifen Einlagen
Straftaten in Opern sind eher von der Stange: Mord, üble Nachrede und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Seit Samstag ist das Genre um den Tatbestand des Kunstraubs reicher. Da seilte sich an der Rheinoper in schönster „Topkapi“-Manier eine zirkusreife Elster ab, die Venus von Milo zu mausen.
Der Beutezug im Catsuit, scheiternd unentwegt, ist eine von vielen Heiterkeitsebenen, die Rolando Villazón in Donizettis „Don Pasquale“ einzieht. Villazón hat Komik versprochen – und geliefert. Das mag Feingeistern den Grenzgang zur Klamotte markieren, 1 a gearbeitet ist der Spaß zweifellos.
Kunst als Kosmos schenkt der alten Komödie Tupfer. Das Personal bleibt: der reiche Hagestolz Pasquale (hier so kunstjeck wie hypochondrisch), der mittelloser Neffe Ernesto (hier aufstrebender Graffiti-Maler), den die junge Witwe Norina liebt. Die aber jubelt Pasquales Arzt Malatesta dem Alten als keusche Braut unter, damit sie sich vom Nönnchen zur Furie wandeln kann. Menschen lachen seit Jahrhunderten darüber.
Hier schnurrt der Schwank als famos geöltes Ulkwerk ab. Er gibt dem leicht Angestaubten Slapstick-Format. Der zweite Frühling als arthritische Clownsnummer – nie billig frivol, unter der Lupe der Lebensnähe pausenlos.
Johannes Leiacker hat dafür einen hohen, weißen Raum gebaut, Museum und Zuhause Pasquale. Erst in Paris, und später, da der arme Geck von seiner süßen Teufelin zu Neuem getrieben wird, baut Warhol seine New Yorker Factory auf, während Pasquales da Vinci einer dicken Nana weichen muss, und die Tomatensuppe ist als „Malatesta’s“ etikettiert.
Der Abend, in den 1970ern beheimatet, ist bildersatt. Pasquale liebt eigentlich Mona Lisa, während der Neffe bei den Busenwundern des Mel Ramos siedelt. Villazóns Aufmerksamkeit, die sich noch der kleinsten Statistenrolle widmet, ist überrumpelnd, zeitigt aber auch Schwächen des Abends. Die Massentableaus gleichen Wimmelbildern.
Düsseldorf aber, im Schlussapplaus spürbar stolz, einen Villazón auf der Bühne zu haben, feiert diesen Abend lautstark wie die Neugeburt des Musiktheaters. Sensationell die Sängerdarstellerin Elena Sancho-Pereg (Norina), verschwenderisch in den brillant verzierten Koloraturen, die rasante Sinnlichkeit umspielen. Das hört man in Wien und London nicht schöner. Mit Kavaliers- und Kauznoten balanciert Lucio Gallos Pasquale, als wäre er mit ihnen zur Welt gekommen, Mario Cassis Malatesta sprang ein, die Herzen flogen dem alerten Bariton zu. Ioan Hoteas (Ernesto) etwas spitz klingender Tenor ist nicht in jeder Note ein Ausbund an Anmut, dafür schmuck höhensicher. Mehr Champagner, weniger Kompaktheit wünschte man Nicholas Charter am Pult der Düsseldorfer Symphoniker, viele Details bleiben unerhört. Die Bühne hätte davon ein paar abzugeben.