Essen. „Der Hausmann“ von Wlada Kolosowa erzählt, mit Ironie gepolstert, von Glück und Unglück zwischen den Realitäten der Gegenwart.

Sicher ist das auch ein Roman für die Generation WhatsApp, Slack und Teams: Ohne dass es ein Titel wie „Der Hausmann“ vermuten ließe, zieht Wlada Kolosowa rund um ihren Helden Tim einen Mikrokosmos auf, der einen Gutteil der gegenwärtigen Welt repräsentiert, verbunden durch Messenger-Dienste, Drogen und Unglück.

Da ist Tim, der arbeitslose Comic-Zeichner, der mit seiner Freundin an den Rand von Berlin in den fünften Stock ziehen musste, weil sie nach einer Luxussanierung die Miete nicht mehr zahlen konnten; da ist Dagmar, die Rentnerin, die ihr Eigenheim verkaufen musste, um den Heimplatz für ihrem mittlerweile verstorbenen Mann zu finanzieren, nun das Internet für sich entdeckt hat und ihre Klickzahlen unter www.sparenmitdagmar.blogspot.com stetig steigert; dann ist da Maxim aus dem ersten Stock, der aus der Ost-Ukraine geflohen ist und illegal in Berlin lebt , ständig in Angst, entdeckt zu werden, weniger von den deutschen Behörden als vom langen Arm des russischen Staates; und da ist Thea, Tims ebenso hochbegabte wie -sensible Freundin mit einem wunderbaren Talent für spleenige Entscheidungen.

Start-Up für veganes Hundefutter – aber wer ist „Braunbär“?

Zwischen diesen vieren wechselt der Roman stets den Blickwinkel, dazwischen lesen wir noch die Graphic Novel über „Den kältesten Ort der Welt“ und den Klimawandel dort, daran arbeitet Tim zu Hause. Seine Freundin Thea heuert bei einem Start-Up für veganes Hundefutter an; ihre Karriere – geschätzt, verheizt, verbrannt – spiegelt sich in abgedruckter Messenger-Kommunikation mit ihrer Vorgesetzten, die mal eine „Freundin“ war.

Wer der geheimnisvolle „Braunbär“ ist, der im Haus eine Drehscheibe für Drogen aufzieht, enthüllt sich erst am Ende, nachdem die Dealer-Konkurrenz immer wieder die falschen verdroschen hat. Spannung entwickelt der Roman rund um den mühsam Deutsch lernenden Maxim, der kein schlechter Kerl ist, aber von Vorurteilen immer wieder dahin gestempelt wird. Das Ende des Romans ist eher realistisch als happy, aber darum geht es gar nicht.

„Fräuleinwunder auf Deutsch“ von Grjasnowa bis Poladjan

Wlada Kolosowa gehört zu dem „Fräuleinwunder auf Deutsch“, das mittlerweile sogar schon (von Nadja Luschina) wissenschaftlich aufgearbeitet und mit Namen von Olga Grjasnowa bis Katerina Poladjan verbunden ist. Die in Petersburg aufgewachsene und in Berlin lebende Journalistin schreibt mit großer Zuneigung zu ihren Figuren und mit einer Ironie, die vom bitterbösen Zynismus bis zum heiteren Kalauer schillert. Ein Buch zum melancholischen Vergnügen ohne Illusionen über die Gegenwart.

Wlada Kolosowa: Der Hausmann. Roman. Illustriert von Raúl Soria. Leykam Verlag, 320 S., 24 €.