Duisburg. Den 100. Geburtstag des Bildhauers Norbert Kricke am 30. November würdigen in Duisburg gleich drei Museen.
Norbert Krickes Plastiken gehören an vielen Orten im Westen zum vertrauten Kunst-Mobiliar im öffentlichen Raum: Die „Große Mannesmann“ am Rheinufer in Düsseldorf, die „Große Kasseler“ im Leverkusener Stadtpark, die „Große Flächenbahn in zwei Ebenen“ am Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier in Gelsenkirchen, die „Große Fließende“ am Düsseldorfer Kunstpalast, die „Große Kurve“ vor dem Museum Quadrat in Bottrop und die „Raum-Zeit-Plastik“ an der Fassade der Städtischen Bühnen in Münster. In den 50er- und 60er-Jahren hatte Kricke eben Konjunktur, was Günter Grass im Rückblick auf gemeinsame Akademie-Jahre zu dem spöttischen Diktum veranlasste, Kricke habe zunächst „lebendige nackte Mädchen in nackte Mädchen aus Gips verwandelt“, sei dann aber plötzlich „mit dekorativ gebogenen Drahtskulpturen dem Zeitgeist zu Diensten“ gewesen.
Es ist ja wahr: Vor allem Krickes Draht- und Edelstahl-Plastiken, die einen Rhythmus haben, die Bewegung im Raum simulieren und ähnlich dynamisch sind, ja bisweilen explodieren wie die informellen Rakel-Bilder seines Zeitgenossen K.O. Götz, sie haben etwas von der Aufbruchsstimmung nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die frühen 70er-Jahre hinein. Sie sind Form gewordener Optimismus. Aber sie sind mitunter auch ein Aufschrei der Freiheit gegen das verwaltete, uniforme, der Rationalität gehorchende Dasein
Joseph Beuys, der Erzrivale
Der Stern von Kricke, der 1964 Professor an der Düsseldorfer Akademie und 1972 ihr Direktor geworden war, verblasste dann indes neben dem seines Erzrivalen Joseph Beuys. Umso mehr ist es an der Zeit, den Meister der Stahlskulptur noch einmal neu in den Blick zu nehmen, zumal sich der Tag seiner Geburt am 30. November zum 100. Mal jährt. In Duisburg unternehmen nun gleich drei Museen auf einen Schlag eine solche Revision. Allen voran das Museum Küppersmühle, das als Hort der Sammlung Ströher über den größten Bestand an Kricke-Arbeiten weit und breit verfügt. Dort wird der in Düsseldorf geborene und 1984 dort auch gestorbene Bildhauer bereits in der ständigen Sammlungspräsentation gezeigt; nun aber bekommt er den Oberlichtsaal im Erweiterungsbau, der mit imposanten Ausstellungswänden eine perfekt abgestimmte Architektur bekommen hat.
Hier und auch in den anderen Ausstellungen ist der Zeichner Kricke zu entdecken, dem vieles in Kohle, Grafit oder Tusche als Vorarbeit gedient haben mag – aber die Erkundung der Linie entwickelt hier fast immer ein Eigenleben und erobert die Fläche, wie es Krickes Skulpturen mit dem Raum tun. Es sind ästhetische Spiele der Freiheit auf Papier, bei denen es meist um die Struktur geht – Farbe bleibt selten bei Kricke. Beeindruckendes Finale der Ausstellung ist ein „Schluss-Strich“ aus Krickes Todesjahr 1984 – von dem das Museum DKM gleich sechs Variationen besitzt.
Lehmbruck-Museum mit der Wendezeit Krickes, DKM mit Zeichnungen
Dort ist Kricke bereits seit Eröffnung des Museums 2009 ein ganzer Raum gewidmet, der in der Logik der Museumsgründer Klaus Maas und Dirk Krämer dem Raum „Schönheit der Antike“ folgt. Nun gibt es noch einen zweiten Raum mit Kricke-Zeichnungen (samt Kricke-Gedicht), während der „Narcissus“, eine Dauerleihgabe des Lehmbruck Museums, nun wieder dort zu sehen ist. Dessen Studioausstellung zeigt sehr anschaulich den unvermittelten Umschlag im Werk des kurz nach dem Zweiten Weltkriegs noch völlig figürlich und konventionell arbeitenden Bildhauers zur radikalen Moderne, zur konkreten Kunst, die nicht abstrahiert, sondern ein Eigenleben entwickelt.