Duisburg. Im Erweiterungsbau des Museums Küppersmühle am Duisburger Innenhafen hängt jetzt der Polke-Zyklus „Original + Fälschung“ – frisch wie einst.

Der Bilderzyklus „Original + Fälschung“ von Sigmar Polke, der erstmals nach 20 Jahren wieder im Museum Küppersmühle in Duisburg zu sehen ist, hat im neuen Erweiterungsbau einen besonderen Ort gefunden: den Oberlichtsaal. Dass der 38-teilige Zyklus so ungeheuer frisch wirkt, hat aber einen anderen Grund als die privilegierten Lichtverhältnissen.

Vielmehr bearbeitet Polke in einem seiner Schlüsselwerke Fragen, die die Kunstwelt intensiv beschäftigten. Und darüber hinaus auch immer wieder für Aufregung sorgen – vom spektakulären Kunstdiebstahl bis hin zum Ideenklau. Polkes Zyklus von 1973, an dem der Maler Achim Duchow (1948-1993) mitgearbeitet hat, ist ebenso klug wie (selbst-)ironisch, bissig, aber nicht verbissen. Er lässt rätseln, sagt aber auch: bloß nicht zu ernst nehmen das alles.

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Sigmar Polke, 1941 in Schlesien geboren, 1953 nach Düsseldorf gekommen und 2020 in Köln gestorben, hat sich vom Diebstahl eines Rembrandt-Gemäldes und einer Interpol-Liste mit den meist gesuchten Meisterwerken zum Thema „Original und Fälschung“ anregen lassen. Neun Bilder dieser Liste hat Polke frei nachempfunden. Der „Steckbrief“ von Rembrandts Bild „Flucht nach Ägypten“ lässt das Motiv hinter braun-schwarz-goldenen Rasterpunkten verschwinden. Sie zitieren die Farbpalette des Niederländers, aber auch die gerasterten Porträts von Andy Warhol.

Sigmar Polkes Lust an Farbe und Material

Mit spürbarer Lust hat Polke in die Farb- und Materialkiste gegriffen, als er etwa das 14. Zyklusbild „der bayerische Landtag“ malte. Vor einer Wand mit Geweihen und einem breiten Tisch, auf dem ein „Büffet“ aus dicker Ölfarbenpaste direkt aus der Tube angerichtet ist, blickt ein Mann im blauen Anzug mit blauweißer Rautenkrawatte (Politiker?) aus dem Bild (in Richtung eines Spezls?). Die Szene ist eingerahmt mit Tierfellen.

Neun gestohlene Meisterwerke, die auf einer Interpol-Liste standen, haben Sigmar Polke zu „Original + Fälschung“ inspiriert. Die „Steckbriefe“ hat er frei nachempfunden.
Neun gestohlene Meisterwerke, die auf einer Interpol-Liste standen, haben Sigmar Polke zu „Original + Fälschung“ inspiriert. Die „Steckbriefe“ hat er frei nachempfunden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Daneben in Bild Nummer 15 (die Musikband und die „Rockets von New York“) hat sich eine sechsköpfige Band wie zu einem Gruppenfoto aufgestellt. In ihre schwarz-gelb karieren Hemden eingearbeitet eine Tambourgruppe von jungen Frauen mit pinkfarbenen Haaren. Und auf dem blauen Hintergrund blinken auch kleine runde Spiegel. Poppig!

Welche Geschichte erzählt Original + Fälschung 19 (der Kapitän und das brennende Schiff, Lackfarbe auf Leinwand) außer der vom Kapitän, der sich verdrückt, als sein Schiff in schwere See geraten ist. Unterdessen albern auf dem karikierenden Nachbarbild auf der MS Pommes & Fritz zwei lustige Figuren auf einem Schiffsdeck mit Wurstketten herum. Und wie hilfreich ist die unter den Bildern hängende Collage bei der Entschlüsselung, die unter anderem ein Illustrierten-Foto mit einer im Pool badenden Marilyn Monroe zeigt?

Fragen nach der Wahrheit

Denn zu den 24 Hauptbildern, darunter auch ein Labyrinth, das golden auf Kleiderstoff gesprayt wurde, oder ein Blumenparadies auf einer Tischdecke, gehören 14 kleinere Collagen, die die Szenen darüber in Skizzen, Texten, Bildern und Zeitungsausschnitten kommentieren. Nicht alle so erhellend wie der alte Stich eines Nashorns, das einen Pflug zieht, der zum Bild eines auf hellem Untergrund in bunten Punkten gerade noch erkennbaren Nashorns passt.

Museumsdirektor Walter Smerling hat im Oberlichtsaal den neuen Polke-Raum eingerichtet.
Museumsdirektor Walter Smerling hat im Oberlichtsaal den neuen Polke-Raum eingerichtet. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Was also ist eher geeignet die Wahrheit abzubilden: Die Malerei oder das Foto, die Kunst oder die medial vermittelte Realität, die ja gerade im Ukraine-Krieg vom bombenden Russland in Lügengebäuden ganz neu errichtet wird. In Zeiten von Internet, Fake News und unverschämter Lügen stellen sich diese vor 50 Jahren von Sigmar Polke aufgeworfenen Fragen deutlicher denn je.

Das Polke außerdem die Rolle des Betrachters befragt, ist eine weitere Dimension dieser vielschichtigen Serie „Original + Fälschung“, die 1973 im Rahmen einer Rauminstallation im Westfälischen Kunstverein Münster erstmals gezeigt wurde. Kurz darauf erwarb sie der Duisburger Sammler Hans Grothe, der seine Sammlung wiederum an das Sammlerpaar Ströher verkaufte. Über 60.000 Besucher hat das Museum seit der Neueröffnung mit dem Erweiterungsbau vor sieben Monaten gezählt, so Direktor Walter Smerling.

>>> VERANSTALTUNGSKONZEPT FÜR DAS MUSEUM

  • Walter Smerling berichtete am Dienstag beim Rundgang durch den neuen Polke-Raum, dass es neue Kooperation des Museums mit den Duisburger Philharmonikern gibt, die das Veranstaltungsangebot um Konzerte erweitern werden.
  • Der neu entstandene Silo-Raum soll für Veranstaltungen genutzt werden, etwa für die Fortsetzung der Reihe „Kunst trifft . . .“. Die Aussichtsplattform auf den Silos sei gerade vom TÜV abgenommen worden. Sie soll voraussichtlich im Mai eröffnet werden.