Essen. Die weltweit agierende Performance-Künstlerin ist die erste Pina-Bausch-Professorin an der Folkwang Universität. Ein Härtetest für Studierende.

Da können sich die 26 Nachwuchs-Performance-Kräfte an der Folkwang-Universität ja schon mal warm anziehen: im nächsten Frühjahr sollen sie mit Marina Abramović ein paar Tage lang nichts essen, es gibt nur Kräutertee und obendrein Schweige-Übungen. „Hausputz“ nennt die weltumspannend agierende Performance-Künstlerin das; es soll den jungen Leuten helfen, die wichtigsten Grundlagen für Performance-Künstler zu entwickeln: Konzentration und Ausdauer: „Sie werden mich erst hassen dafür“, lächelt Abramović (75) souverän – „und hinterher lieben.“

Gerade ist sie in Israel ausgezeichnet worden, nun bekleidet sie hier in Essen, an der Folkwang Universität, die erste Pina-Bausch-Professur. Ein Jahr lang, in Blöcken, jetzt ist sie zehn Tage am Stück hier und fordert auch von den Studierenden, dass sie kein Wochenende machen, sondern durcharbeiten. Die vom Land NRW zunächst einmal für fünf Jahre finanzierte (und von der Kunststiftung NRW sowie der Bausch-Stiftung unterstützte) Bausch-Professur soll eben nicht nur Tanz-Künste vermitteln, sondern besonders solche Künstlerinnen und Künstler in den Essener Süden nach Werden locken, die Grenzen überschreiten, sich nicht unbedingt auf eine Kunstform festlegen lassen – und vor allem den Studierenden dabei helfen, das auch zu tun. Der Gedanke, dass Interdisziplinarität sich um Disziplin herum entwickelt, gefällt der Diva der Performance-Kunst: „Ich brauche junge Leute mit Feuer, die sich voll und ganz der Sache widmen.“

Marina Abramović hat unter 150 Bewerbungen heftig gesiebt – es blieben 26 Talente

Unter den 150 Bewerbungen für ihr „Performance-Labor“ wurde heftig gesiebt. Jetzt sollen die 26 Talente – neben einer Geigerin und einer Opernsängerin studieren sie Komposition, Schauspiel und Design, Regie oder Fotografie – die Idee für jene Performance entwickeln, die dann im Juli nächsten Jahres öffentlich aufgeführt werden soll. Aber wie man so mit Ideen umzugehen hat, davon hat Marina Abra­mović eine ganz eigene Vorstellung: „Du schreibst jeden Tag mindestens eine Idee auf. Und machst Stapel: Hier die guten, da die schlechten. Und von dem Stapel mit den schlechten musst Du dann welche umsetzen, denn da stecken die Ideen, vor denen du Angst hast, die zu aufwendig erscheinen, zu riskant. Der Abfall ist in diesem Fall eine Schatzgrube.“

Eigentlich hat sich Marina Abramović, die schon viele Gastprofessuren etwa in Frankreich, Hamburg oder Braunschweig innehatte, schon vor Jahren dazu entschlossen, keinen „Unterricht“ mehr zu geben. Aber der Name Pina Bausch habe sie elektrisiert, sagt sie: „Ich habe Pina Bausch immer verehrt“, ein Tanzstück habe sie in den 80er-Jahren beim Festival in Avignon gesehen, „aber ich war leider immer zu schüchtern, die persönliche Begegnung zu suchen“. Sie sei mit ihrer Tanzkunst am nächsten an einer Performance, und als sie am Vortag in Wuppertal noch einmal „Kontakthof“ gesehen habe, sei ihr wieder aufgefallen, wie modern, wie zeitgenössisch Pina Bauschs Choreografien bis heute geblieben sind. Als Salomon Bausch, der Sohn und Chef der Pina-Bausch-Stiftung, dann anrief, um sie zu fragen, ob sie die Professur übernehmen würde, bat sie sich zum Schein drei Tage Bedenkzeit aus; „aber innerlich habe ich sofort zugesagt. Das war zu verlockend.“

„Wim Wenders hat zu spät angefangen“

Sie findet übrigens den Pina-Bausch-Film von Wim Wenders nicht übermäßig gelungen, „er hat zu spät angefangen damit“. Sie bevorzugt Pina Bauschs ersten eigenen Film „Die Klage der Kaiserin“, der Ende der 80er-Jahre entstand. „Ich will hier nicht Pina Bausch kopieren, ich will etwas Neues schaffen, neue Inspirationen, neue Räume für die Studierenden eröffnen.“