Düsseldorf. Imposant und ranschmeißerisch, aber die Tiefen des Stückes zu schwach beleuchtet: „Cabaret“ am Düsseldorfer Schauspielhaus hatte Samstag Premiere.

Es klatscht der amüsierbereite Rheinländer bald rhythmisch mit am Samstag Abend. Und das so beglückt, dass man meinen könnte, es gelte den Blauen Bock johlend zu eskortieren. Dabei streben doch braune Horden nach oben, während im „Cabaret“ ein Berliner Tingeltangel in verzweifelter Lustbarkeit erotische Ablenkungsmanöver vollzieht.

Sicher: Immer ist es ein Ritt auf der Rasierklinge (selbst bei Joshua Sobols ungleich härterer „Ghetto“-Gangart), wenn eingängige Musik Seit an Seit mit dem Schrecken über die Bühne geht. In André Kaczmarczyks Inszenierung aber gerät das Erfolgsmusical (Masteroff, Ebb, Cander) zu oft unter die Räder kulinarischen Entertainments. Viel mehr als nötig kommt als sexy Show rüber, was nah am Abgrund siedelt. Selbst die Hakenkreuze der strammen Jungnazis (Kostüme Martina Lebert) fehlen; wie sie da in Lack und Leder agieren, füllt Fetisch den Raum, nicht Faschismus.

Musical „Cabaret“ feiert bejubelte Premiere am Düsseldorfer Schauspielhaus

So distanziert, dass man nicht immer auch mal mitgerissen wäre in diesen (30 Minuten zu langen) drei Stunden, kann man gar nicht sein. Die saftige Band, die neunköpfig die Gassenhauer prall und knackig serviert, die sündig glühenden Auftritte der Girls und Boys im Kit-Kat-Club: das reine unkeusche Vergnügen. Umso bedauerlicher, dass gerade ein Regie führender Schauspieler den Sprechszenen, die das Private, Kaputte, das Grauen zeichnen, so hilflos gegenüber steht. Lauter Löcher, es fehlt der Fluss, manches wirkt unterprobt. Vieles klingt bloß wie Text auf zwei Beinen (spielerisch überfordert Belendjwa Peter), anderes (Lou Strengers Sally Bowles) im Dialog pathetisch hohl. Beide Genannte übrigens singend und tanzend auf gutem Niveau. Ein Licht in teils flach gearbeiteten Schauspiel-Szenen sind Rosa Enskat und Thomas Wittmann als alte Berliner Schneider und Schultz. Rare Menschenbildner eines Abends, der sonst fast immer Revue bleibt, Durststrecken inklusive.

André Kaczmarzyk spielt den Conférenciert und führt zugleich Regie

André Kaczmarczyk spielt die Rolle des Conférenciers. Charmant androgyn, was nicht überrascht, zugleich machtvoll vielfarbig, geil, gerissen genusssüchtig, verdorben, verstört, verletzlich. Dass viel Eitelkeit in seiner starken, von imposanten Fracks und Fummeln begleiteten Performance erblüht, hätte ein Regisseur drosseln können. Aber Kaczmarczyk war ja sein eigener.

Nie und und nimmer wird dieses „Cabaret“ ein Reinfall in Sachen Auslastung. Ein bisschen gefühlig, sehr imposant, leicht konsumierbar in ach so schwerer Zeit: Wir dürfen vermelden, dass die Saison 22/23 das erste Weihnachtsmärchen für Erwachsene auf dem Spielplan hat.

Termine und Karten unter .www.dhaus.de