Essen. Mal ein anderer Film aus Ostberlin: „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ zeigt die DDR mit Glamourfaktor. Regisseurin hat lange dafür gekämpft
Es gab mal eine Zeit, da hat man die DDR-Vergangenheit in Gurkengläsern konserviert (Good Bye, Lenin). Doch das Haltbarkeitsdatum dieser cineastischen Ostalgie währt nicht ewig. Es braucht andere Stoffe, um die Beschäftigung mit dem einstigen Arbeiter- und Abhörstaat neu zu beleben. Die DDR, das lehrt uns der neue Film vom Aelrun Goette, hatte auch ihre mondäne Seiten. „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ sorgt für eine bislang ungewohnte Sicht auf die DDR-Subkultur mit einer Extraportion Eleganz und Extravaganz. Inspiriert ist der Film vom persönlichen Erleben der in Ostberlin geborenen Filmemacherin. Zusammen mit Hauptdarstellerin Claudia Michelsen präsentierte Goette ihren neuen Film jetzt im Essener Eulenspiegel-Kino.
Jung, schlank, bildhübsch: Suzie (Marlene Burow) sitzt in der Straßenbahn, als man sie als „Mannequin“ entdeckt. Eigentlich aber trägt sie Blaumann im Kabelwerk Oberspree. Mit Orwells „1984“ als Westlektüre im Rucksack hat sie sich fürs Literatur-Studium disqualifiziert. Dafür erscheinen Fotos von ihr nun in der „Sibylle“, der „Vogue“ des Ostens – mit Claudia Michelsen als Chefredakteurin, ohne Allüren, aber nicht ohne Autorität. Die Modewelt bietet der rebellischen Suzie die Möglichkeit, dem tristen Dienst an der Werkbank zu entfliehen, ohne die Mauer überwinden zu müssen, die wenige Monate später sowieso fällt.
Aber das ahnen sie damals noch nicht bei der VHB Exquisit, wo „DDR-Mode für die Welt“ entsteht und sich der Staatsratsvorsitzende persönlich von der Qualifikation der Models überzeugt, bevor man sie zur Modeschau nach Paris schickt. Da, wo die Repressalien des Überwachungsstaats nicht allzu eng einschnüren, greift eben das Diktat der Modebranche. Wer auf den Laufsteg kommt, entscheiden hier nicht nur Idealmaße, sondern auch die richtige politische Gesinnung.
Goettes Film ist in mehrfacher Hinsicht ein Exot unter den vielen Filmen über die DDR: Manchmal bunt und schrill, statt einheitsgrau und dazu noch warm grundiert vom kleinen Glück der Gemeinschaft. Der Zusammenhalt in der Fabrik, wo Jördis Triebel eine herzenswarme Mutter der Kompagnie gibt, wird ebenso beschworen wie das Nichtunterkriegenlassen der burlesken Underground-Modeszene um den androgynen Modemacher Rudi (Sabin Tambrea). Dessen schräges Design aus Duschvorhängen hätte vermutlich auch Vivienne Westwood begeistert. In der DDR jedoch wird ein Mann im Brautkleid zum Eklat – und Suzie gezwungen, sich für die richtige Seite zu entscheiden.
Goettes Film kleidet den Freiheitswunsch ihrer Heldin in eine ungewohnt schillernde Geschichte. Dass sie die Schönheit als Schutzhaut gegen den Sozialismus dabei bisweilen auch etwas überhöht, überrascht zwar angesichts der sonstigen Themenwahl der mehrfach ausgezeichneten Regisseurin (Deutscher Filmpreis für „Die Kinder sind tot“), deren Kino-Dokus der vergangenen Jahre vor allem in menschliche Abgründe geschaut haben. Es betont aber auch die Bedeutung des Themas für Aelrun Goette.
14 Jahre habe sie für diesen Film gekämpft und immer wieder Absagen kassiert, berichtet die 56-Jährige. Mode, Glamour, Luxus und Osten, diese Begriffe habe einfach niemand zusammen bekommen. „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ ist nun der eindrucksvolle und unterhaltsame Beleg dafür, dass es auch kreative Nischen und Freiräume gab. Und dass Vergangenheitsbewältigung eben nicht nur in Schwarz und Weiß gezeichnet werden muss, sondern auch farbige Facetten haben darf.
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