Köln. Das Museum Ludwig in Köln blickt auf die „Grüne Moderne“ unserer Ahnen. Dabei sind auch der Ressourcenverbrauch und der CO2-Ausstoß ein Thema.

Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts wandelte sich die Einstellung der Menschen zur Pflanze: Zum einen waren sie als Teil des Mobiliars im „neuen Wohnen“ – zunächst in üppigem, dann aber in wohldosiertem, lässig inszeniertem Umfang. Zum anderen wurden Pflanzen wie der Kaktus oder der Gummibaum modern, mit deren exotischer Gestalt sich Menschen als unbürgerlich, als weltläufig und extravagant inszenieren konnten, zumal im Winter die Kohleheizung für die nötige Wärme sorgte.

Dass es bald darauf (etwa in Erfurt) Kakteenzüchter gab, die das begehrte Objekt in Massen produzierten, sagt viel über Individualität als Ideal und Illusion im florierenden Kapitalismus. Immerhin wurde damit die Jagd nach Kakteen in Amerika überflüssig, eine eher unbekannte Seite kolonialer Ausbeutung. Der „kleine grüne Kaktus“ der Comedian Harmonists ist ein Echo dieser pflanzlichen Modewelle.

Die Transportkisten versorgen als Hochbeet das Museums-Restaurant mit Kräutern

Um diese „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“ kreist die gleichnamige Ausstellung im Kölner Museum Ludwig, die eine zarte Pionierpflanze auf dem Terrain des Ausstellungswesens ist.

Gleich zu Anfang werden auch der Ressourcenverbrauch und der CO2-Ausstoß einer solchen Sonderausstellung thematisiert. Erste Erkenntnisse darüber sind umgesetzt – die Stellwände der Schau wurden aus anderen Ausstellungen wiederverwertet, Wandtexte sind von Hand aufgemalt, nicht auf Folien oder Kunststoff-Schilder gedruckt wie sonst.

Blick in die Ausstellung „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“. Hier Pflanzen als Kunstwerke – fotografiert von Karl Blossfeld.
Blick in die Ausstellung „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“. Hier Pflanzen als Kunstwerke – fotografiert von Karl Blossfeld. © dpa | Christian Knieps

Um Transporte zu sparen, stammen die allermeisten der 130 Ausstellungsstücke aus der eigenen Sammlung – oder sind Reproduktionen. Und die wenigen Transportkisten, die nötig waren, versorgen als Hochbeet auf dem Dach das Museums-Restaurant mit Kräutern. Der Ausstellungskatalog wurde nicht gedruckt, er kann auf der Homepage des Museums digital abgerufen werden.

Blossfeldts Blumen und Murnaus „Nosferatu“

Die hinlänglich bekannten, immer wieder sehenswerten Fotos von Karl Blossfeldt zeigen Pflanzen als Kunstwerke der Natur. Revolutionärer aber war die Erkenntnis, dass Pflanzen sich selbstständig bewegen, sich ausrichten nach dem Licht, wie der Kinofilm „Das Blumenwunder“ dem staunenden Publikum 1926 mit Zeitraffer-Aufnahmen vor Augen führte, während Friedrich Wilhelm Murnau in „Nosferatu“ eine Venusfliegenfalle beim Fliegenverzehr in Großaufnahme ein Solo in der „Symphonie des Grauens“ spielen ließ.

Den Mentalitätswandel unserer Vorfahren zeichnet die Ausstellung anschaulich nach. Sie bleibt aber in der zeitlichen Beschränkung wie in der umweltverträglichen Umsetzung eine Fingerübung. Gehört nicht auch der Beginn des 21. Jahrhunderts zur „Grünen Moderne“?