Köln. Fälschungen der Russischen Avantgarde fluten seit Jahren den Kunstmarkt. Nun räumt das Kölner Museum Ludwig in seinen Beständen auf und fahndet.

Mal führte das berüchtigte Titanweiß auf die Fährte, mal ein Manganblau, das erst nach dem Tod des angeblichen Malers auf den Markt kam. Mal war es eine schlechte Katalog-Abbildung, der die Fälschung viel ähnlicher sah als dem Original, mal waren es Kunststoff-Fasern in der Leinwand, die erst seit den 30er- oder 40er-Jahren produziert werden: Das Kölner Ludwig Museum hat 22 seiner Gemälde russischer Avantgardekünstler in einer zehnjährigen Forschungsarbeit als Fälschungen erkannt. Die heut anlaufende Ausstellung „Original und Fälschung“ gewährt einen Blick in die Forschungen mit Röntgen-, UV- und Streiflicht-Bestrahlung, mit Materialanalysen und kunsthistorischer Detektivarbeit – eine jener Ausstellungen, die man tatsächlich vor Ort sehen muss, die nachhaltig beeindrucken und für Aufsehen sorgen werden.

Von Malewitsch bis Rodtschenko

Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs 1989 war russische Avantgarde-Kunst eine viel beraunte, heiß begehrte Schmuggel-Ware. In der UdSSR, die wenig mehr als den regimetreuen Sozialisistischen Realismus duldete und die Suprematisten, Rayonisten, Kubofuturisten und was es alles gab bestenfalls in den Depots und Archiven der Museen versteckte – wenn die Werke der anfangs noch so revolutionsbegeisterten Künstler von Malewitsch bis Rodtschenko nicht gleich vernichtet worden waren.

Weil diese Werke nur auf geheimen Wegen von Diplomaten, Journalisten oder anderen aus dem real existierenden Sozialismus in den Westen „exportiert“ werden konnten, gab es auch so gut wie nie Herkunftsnachweise für die Werke der russischen Avantgarde – schließlich sollte niemand mit dem Schmuggel in Verbindung gebracht werden.

Die Sammlung Batliner in der Wiener Albertina

Nach der Wende tauchte dann eine ganz Flut russischer Avantgarde-Kunst auf dem Markt auf, aber nicht alles stammte aus dem Verborgenen der Depots. Auch Fälscher machten sich ans Werk. Und so ebbt bis heute nicht die Flut der Fälle von entdeckten Fälschungen ab:

2013 verhaftete man in Wiesbaden zwei Kunsthändler, die Hunderte gefälschter Werke mit erfundenen Herkunfts-Nachweisen verkauft hatten. Aber nur drei Fälle konnten ihnen wirklich nachgewiesen werden – 2018 gab es dafür Gefängnisstrafen von drei Jahren. Auch der Sammler Herbert Batliner hat der Wiener Albertina 2006 ein Konvolut von russischer Avantgarde dauergeliehen, davon entpuppten sich sieben Werke vor drei Jahren als Fälschung. Fast zeitgleich fand die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf mit Materialanalysen heraus, dass es beim vorgeblichen Malewitsch-Gemälde „Schwarzes Rechteck, rotes Quadrat“, das ihm der Kölner Kunstsammler Wilhelm Hack wohlmeinend überlassen hatte, Indizien für eine Fälschung, ähnlich wie bei den dazugehörigen 40 Zeichnungen. Und in Gent wurde gerade erst ein Ehepaar verurteilt, das 2017 im dortigen Museum voor Schone Kunsten unter dubiosen Umständen eine ganze Ausstellung mit 24 Fälschungen russischer Avantgardisten untergebracht hatten.

22 Gemälde in Köln gelten nun als „zweifelhaft“ und „nicht authentisch“

Dass also das Kölner Ludwig Museum vor allem die verdächtigen unter den 600 Werken russischer Avantgarde, die mit dem Vermächtnis von Irene Ludwig in seinen Besitz gelangten, nun etwas genauer unter die Lupe genommen hat, verwundert da wenig. Das die meisten davon zweifelsfrei zuzuordnende Fotografien sind, widmete sich das Museum den rund 100 Gemälden dieses Bestands, von denen nun gut die Hälfte untersucht ist. 22 Davon haben sich als, nun ja, „zweifelhaft“ oder „nicht authentisch“ erwiesen.

Museumsdirektor Yilmaz Dziewior und seine Stellvertreterin Rita Kersting, die der treibende Motor hinter diesem Projekt waren, hüten sich, das Wort „Fälschung“ in den Mund zu nehmen – außer im Ausstellungstitel ist das Gift-Wort denn auch nirgends auf den Museums- Wänden und den Tischen mit den Untersuchungsergebnissen zu lesen. Das hat auch einen juristischen Grund: Um gerichtsfest von einer Fälschung reden zu können, muss man in der Lage sein, eine Betrugs-Absicht nachweisen zu können.

Rita Kersting war der Motor der Ausstellung, Yilmaz Dziewior ist dankbar

Vorbild für das „Suprematismus“-Bild links war mutmaßlich eine grottenschlechte Abbildung des „Suprematismus“-Bildes von Kliment Redko rechts in einem Ausstellungskatalog des Kunstmuseums Düsseldorf von 1977.
Vorbild für das „Suprematismus“-Bild links war mutmaßlich eine grottenschlechte Abbildung des „Suprematismus“-Bildes von Kliment Redko rechts in einem Ausstellungskatalog des Kunstmuseums Düsseldorf von 1977. © dpa | Henning Kaiser

Petra Mandt, neben Rita Kersting Kuratorin der Ausstellung, hob hervor, dass die Beweisführung ihrer Untersuchungen auf drei Säulen fußt: Dem Nachvollzug der Herkunft (die ja oft im Dunkel liegt), die stilistische und kunstwissenschaftliche Einordnung und die technische Untersuchung des Materials einschließlich der Malweise. Und erst das Zusammenspiel aller Indizien ergebe das Fazit. Das bei zwei Bildern von Nikolai Suetin auch unentschieden blieb: „Strittige Zuschreibung“, lautet das Urteil dann.

Wie groß das Interesse der Kunst- und Kulturwelt an Licht im Fälschungs-Dunkel ist, lässt sich schon an der Vielzahl der Stiftungen ablesen, die das Kölner Projekt unterstützten. Und Yilmaz Dziewior unterstreicht: „Wir wollen sicher sein, dass an unseren Wänden authentische Werke hängen.“ Da wird er erleichtert zur Kenntnis genommen haben, dass sich ein Glanzstück der Sammlung wie „Supremus No. 38“ von Kasimir Malewitsch (einem der meistkopierten Maler überhaupt) als echt bewährt hat. Auch andere Werke wie die des zeitweiligen Maler-Paars Michail Larionow und Natalia Gontscharowa stellten sich als echt heraus. Die Temperamalerei Proun von El Lissitzky hingegen stellte sich wegen eines Kunstdrucks im Untergrund („Sommerabend im Judengässchen“) und einer völlig anderen Maltechnik als unecht heraus, ebenso wie Werke von Ljubow Popowa, Nina Kogan, Kliment Redko, Olga Rosanowa, Alexandra Exter und Alexander Wesnin.

Kein Interesse an einem russischen Beltracchi

Ob man sich denn erforscht habe, wer jeweils hinter den Nachahmer-Gemälden stecke, wollten Journalisten gestern von den Kuratorinnen wissen: „Nein“, sagte Petra Mandt darauf etwas spitz, „wir haben kein Interesse daran, hier einen russischen Beltracchi zu präsentieren.“