Essen. Antike Tragödie und längste Oper der Welt: Aus zwei großen Werken sind neue Hörspiel-Fassungen entstanden: „Orestie“ und „Ring des Nibelungen“.

Gleich zwei großformatige Hörprojekte kreisen um wuchtige Werke der Weltliteratur. Der Schrecken, von dem sie erzählen, der unerbittliche Mahlstrom der Abhängigkeiten, ist beiden zu eigen, auch wenn Euripides’ (nicht Aischylos!) heute kaum noch gespielte „Orestes“ und Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ fast anderthalb Jahrtausende trennen.

Es ist die schlanke, klare und sehr freie Fassung („nach Euripides“) Raoul Schrotts, auf der Michael Farins knapp dreistündige Inszenierung für die Hörbühne fußt. Schrott betont, wie klar Euripides das Individuum und dessen Tragik erkennt und ausformt – Schrott gibt gegenwärtiger Sprache Raum, nicht weniger huldigt er zugleich mit archaischen Einschüben der Wiege des Theaters. Um Besitz, Macht, Rachedurst kreist dieses Sippengemälde der Antike. Elektra steht im Zentrum einer irreparablen Welt, in der Familie ein Fluch ist – und das Wort Blutsverwandtschaft den schlimmsten Doppelsinn annimmt, weil das Töten der Verwandtschaft an der Tagesordnung ist. Franz Hautzingers Musik fühlt dem schrecklichen Lauf der Dinge den unruhigen Puls. In Farins Regie ragen Michael Rotschopf (Orestes), Ulrich Matthes (Menelaos) und Ulrich Noethen heraus. Orestie, Hörspiel, 3 CDs, der hörverlag, 22€

Deutlich zu vollmundig geriet die Ansage des RBB, Richard Wagners vierteiligen „Ring des Nibelungen“ fürs 21. Jahrhundert als „Fantasy-Hörspiel“ fesselnd erblühen zu lassen. Vor allem fehlt dieser Fantasy die Fantasie! Und: Jeder Theaterpraktiker weiß, wie dürftig ein Libretto klingt, wenn man ihm den Gesang entsteißt. Das ist hier nicht anders, erst recht, da Regisseurin Regine Ahrem und Dramaturg Samir Nasr Wagners stabreimendem Witz und Pomp eine Absage erteilen und sehr gute Sprecher (u.a. Bibiana Beglau als Brünnhilde, Martina Gedeck als Fricka) stattdessen knochentrockene Dialoge aufsagen.

Papierene Adaption vom „Ring des Nibelungen“ überzeugt nicht

Da kämpft ein Ensemble gegen eine schlicht nicht funktionierende Idee an. So papiern ist diese Adaption, dass man ein permanentes Rascheln zu hören glaubt. Es tönt auch das bisschen Wagner, das Felix Raffels Komposition in den Mehrteiler hineinrieseln lässt, kaum an gegen die Tatsache, dass hier von Urfehde bis Weltenbrand Allergrößtes verhandelt wird, der Hörer aber kaum mehr empfängt als das Protokoll einer Aufsichtsratsitzung der Firma Wotan & Co oder (Siegmund/Sieglinde) einen Happen von „Verbotene Liebe“ aufschnappt. Wenig Oper und selbst die gleichnamige Seife schäumt nur schal. „Das Rheingold“, „Die Walküre“ usw - alle bei der audio verlag, je 16€.