Essen. Mit „Willkommen in Siegheilkirchen“ präsentiert Marcus H. Rosenmüller einen Animationsfilm über Manfred Deix - herrlich derb, gnadenlos ehrlich.
Der Sommer 1967 ist der Sommer der Liebe, von Sergeant Pepper und Jefferson Airplane. Im niederösterreichischen Siegheilkirchen ist von alldem nichts zu spüren. Hier wird Meinung noch am Stammtisch geprägt, unterstreicht der Pfarrer den Willen des Herrn mit Backpfeifen und nicht wenige wünschen sich die gute alte Zeit zurück; die nach 1938, versteht sich, als alles noch seine Ordnung hatte.
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In solcher Gemengelage ist es kein Spaß, wenn man der Sohn vom kriegsversehrten Dorfwirt ist, gerade mit den Peinlichkeiten der Pubertät zu kämpfen hat und zu allem Überfluss von allen „Rotzbub“ genannt wird. Aber der Junge hat ein künstlerisches Händchen, seine Zeichnungen von der prallen Metzgersgehilfin verkaufen sich im Schülerkreis prächtig als Inspirationsquell bei hormonellem Überdruck.
Verliebt in die schöne Mariolina
Dann kommen Mariolina und ihre Mama ins Dorf. Sie leben mit ihrem Clan draußen am Wald, weil sich das für Zigeuner, wie man hier sagt, so gehört. Rotzbub verknallt sich bis über beide Ohren in Mariolina und gerät so zwischen alle Fronten. Und wieder ist es die Liebe, die zum Brennglas wird für einen Blick auf ein mitteleuropäisches Gesellschaftsbild, das bis heute partout nicht aussterben mag.
Wie schon in „Wer früher stirbt, ist länger tot“ und „Die Perlmuttfarbe“ entwirft Marcus H. Rosenmüller eine bissig humorige Provinzposse voller unbequemer Wahrheiten und derber Offenheit. Die Jugenderinnerungen und die entlarvend hässlichen Zeichnungen des begnadet unbestechlichen, leider viel zu früh verstorbenen Karikaturisten Manfred Deixliefern dazu einen angemessen kratzbürstigen Rahmen.
Die Erwachsenenwelt in Siegheilkirchen suhlt sich in geiler Doppelmoral
Die Frauen sind aufregend schön in offensiver Körperrundung und entwaffnendem Selbstbewusstsein, die Jungs tragen Pickel im Gesicht und rabiat gezähmtes Haupthaar, die Erwachsenenwelt suhlt sich in geiler Doppelmoral. Dieser Animationsfilm für Jugendliche und Erwachsene ist provokant frisch und frech, für Mangaaugen und porenfreie Quietschentenästhetik viel zu echt.