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„Elvis Presley machte Sachen, die niemand vor ihm konnte“, sang Eric Burdon mit den Animals 1967. Der Song erweist ihren Vorbildern Reverenz, und Elvis taucht erst fast am Ende auf. Davor beschwört Burdon die innovative Musikalität der Schwarzen – eine sehr frühe Einsicht darin, wer die populäre Musik in Amerika wirklich erfand. Geprägt aber wurde sie von weißen Jungs, weil nur sie in den US-Hitparaden der 50er-Jahre nachhaltig platziert wurden. Diese vier Jahre dauernde Phase, die heute Rock’n’Roll heißt, firmierte damals als Rock. Ihre maßgeblichen Protagonisten waren bis auf Chuck Berry und Little Richard alle weiß, und der beste, wildeste, vielseitigste von allen war Elvis Presley.

Seiht nicht ganz so aus wie Elvis: Austin Butler. .
Seiht nicht ganz so aus wie Elvis: Austin Butler. . © Courtesy of Warner Bros. Pictures

Ihm will nun ein sehr langer und sehr teurer Film den Teppich der Ehrerbietung ausrollen und das ist auf seine Weise so künstlich und in seiner Begeisterung hergeholt wie es 2004 das „Bio-Pic“ über Ray Charles und im Folgejahr über Johnny Cash gewesen waren. Solche Filme folgen stets der alten Hollywood-Formel von Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg eines Stars und enden damit, dass Texttafeln die großen Errungenschaften und Erfolge noch einmal aufzählen, als ob das nicht schon im Film hätte passieren können. Aber da war man vor allem damit beschäftigt, schickes Zeitkolorit prägender Jahrzehnte zu rekonstruieren und die Hauptdarsteller zu Höchstleistungen anzuspornen, wenn sie die Schlagzeilenepisoden berühmter Lebensläufe nachstellen.

Was man über Elvis im Rock-Lexikon oder Wikipedia nachlesen kann

All das passiert nun auch in „Elvis“. Alles, was sich im Rock-Lexikon oder in der Wikipedia über den „King“ nachlesen lässt, gibt es zu sehen; die Kindheit am Rande des Schwarzenghettos von Tupelo, Mississippi, die ersten Aufnahmen für Sam Phillips in Memphis, Aufstieg und Skandal der Bühnenshows, die Zähmung beim Militär, die seichte Hollywood-Phase, das TV-Comeback ‘68 und die Las-Vegas-Jahre, die ersten per Satellit weltweit ausgestrahlte Konzertshow überhaupt in Honolulu, schließlich das Ende in Tabletten, Missbrauch und vorzeitigem Tod. Kino als Zeitreise.

Der Australier Baz Luhrmann, der in den 90ern zum Regiestar aufstieg, weil er die Stilmittel des Musikvideos in „William Shakespeare’s Romeo und Julia“ und „Moulin Rouge“ auf Großbildleinwand klatschte, bedient sich auch ein Vierteljahrhundert später noch des gleichen technischen Overkills, um sein Publikum zu überwältigen statt zu überzeugen. In dem visuellen Spektakel werden Stimmungen virtuos gezündet und gnadenlos in 20 Sekunden wieder abgewürgt, weil Luhrmann („Der große Gatsby“) keiner ist, der geduldig schauen oder eine Stimmung sinnlich auskosten könnte.

Austin Butler bewegt sich wie Elvis, sieht aber überhaupt nicht so aus

Der Film ist bunt und schön, aber Luhrmann hat die Hauptrolle mit dem hasenzähnigen, eher unerfahrenen Austin Butler besetzt, der sich sich tatsächlich wie Elvis bewegt – er sieht nur überhaupt nicht aus wie Elvis. Eine gewagte künstlerische Freiheit. Die zweite Fallschlinge: Tom Hanks spielt den Elvis-Manager Tom Parker, der die doppelte Körperfülle des Schauspielers hatte, weshalb Hanks mit aufgeklebten Fettpölsterchen im Gesicht und viel Kissen unterm Hemd agieren muss. Die Karikatur mit ewiger Zigarre umgeht Hanks, weil er Parkers miesen Charakter durchschaut und aus listig blitzenden Augen hervorschauen lässt. So versteht man, wie dieser billige Jahrmarktschreier einen Star, die Musikindustrie, ja ein ganzes Land um seine fetten Finger wickeln konnte. Nur eine Frage bleibt offen: Wieso heißt der Film nicht „Tom“?