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„Baz Luhrmann vorzuwerfen, er trage zu dick auf, ist wahrscheinlich so, als würde man einem Leoparden vorwerfen, Flecken zu haben“, hat es ein amerikanischer Kritiker einmal trefflich auf den Punkt gebracht. Der australische Regisseur ist bekannt für seine Sucht nach starken Bildern, gerne auch schön bunt, die er am liebsten noch mit eingängiger Musik ummantelt. „Romeo + Julia“ servierte er mit rauchenden Colts, die Can-Can-Zeit des „Moulin Rouge“ mit vielen modernen Songs als Traum von der Zeitlosigkeit des Schönen. Nun hat er F. Scott Fitzgeralds Roman „Der große Gatsby“ über die 20er-Jahre neu verfilmt, in schier orgiastischen Bildern, diesmal natürlich in 3-D.

DiCaprio wie gemacht für die Rolle

Man kann das alles überladen finden und die Nase rümpfen. Man kann sich aber auch einfach dem Rausch von Luhrmanns filmischem Rhythmus hingeben und dabei plötzlich feststellen, wie nah dies alles doch dem Buch ist. Auch Gatsby, dieser steinreiche Nobody, will ja nichts anderes, als mit seinem Vermögen die einstige Jugendliebe Daisy (Carey Mulligan) beeindrucken. Nur ihretwegen hat er dieses gigantische Anwesen auf Long Island gekauft, das in Blickrichtung zu Daisys Haus jenseits des Wassers liegt, wo seine Angebetete mit dem falschen Ehemann wohnt. Nur ihretwegen gibt er eine teure Party nach der anderen, darauf hoffend, dass Daisys Neugier dadurch geweckt werde. Bis dahin bleiben ihm nur die sehnsuchtsvollen Blicke übers Wasser, die den Film durchziehen.

Leonardo DiCaprio, Luhrmanns einstiger Romeo, ist wie gemacht für diese Rolle. Inzwischen auf die 40 zugehend, hat er das Jungenhafte nie ganz verloren, das der Ausschließlichkeit seines Verlangens große Glaubwürdigkeit verleiht. Er will nicht nur Daisys Liebe zurück, er will auch, dass sie bekennt, ihren Ehemann und Vater der gemeinsamen Tochter nie geliebt zu haben. DiCaprio versteht es wunderbar, der Einsamkeit eines Menschen Gestalt zu verleihen, der beharrlich wie ein Kind einer hoffnungslosen Vision nachjagt, auch wenn er dabei eine Familie sprengen muss.

Songs von Jay-Z und Lana del Rey

Die Schwerfälligkeit, die noch Jack Claytons letzte Verfilmung des Stoffs (1974) zum trägen Kostümfilm werden ließ, ist in diesem Augenschmaus an keiner Stelle zu spüren. Bei Luhrmann ist immer etwas los. Ob Gatsby in New York zwielichtige Geschäftspartner trifft, die kaum einen Zweifel lassen an der Herkunft seines vielen Geldes. Ob die Bilder unterlegt sind mit neuen Songs von Jay-Z über Jack White bis Lana del Rey. Oder ob er jede Fahrt von der Insel in die Großstadt zu einer Tour durch die Hölle macht. Das „Tal der Aschen“, eine zerfallende Arbeiterkolonie im Nirgendwo, wird bei diesem Regisseur nicht einfach zum Elendsquartier, sondern gleich zu einer Art Hades, wo das Unglück nistet. Hier wohnt die Geliebte von Daisys Ehemann, hier werden am Schluss die Weichen in die Ausweglosigkeit gestellt.

DiCaprios Leistung ist umso größer, als Gatsby ja nur der Schilderung eines Dritten entspringt. Der Broker Nick Carraway (Tobey Maguire), Gatsbys Nachbar und vielleicht so etwas wie der einzige Freund, schreibt seine Erinnerungen an die Ereignisse des Films als eine Art Therapie nieder. Ihn hat das schließliche Ende derart mitgenommen, dass dieser Mann ohne Eigenschaften erst depressiv und danach zum Alkoholiker wurde. Er ist der Anfang und das Ende: Wenn sein Werk vollendet ist, schließt auch der Film.