Duisburg. Michael Thalheimer inszeniert an der Rheinoper einen ungemein finsteren, beeindruckenden „Macbeth“, dessen Premiere in Duisburg gefeiert wurde.

Mit einem ganz großen Wurf schließt die Deutsche Oper am Rhein den Premierenreigen ihrer durchwachsenen Saison ab. Musikalisch hintergründig schillernd, szenisch wuchtig wie eine antike Tragödie markiert die Neuproduktion von Giuseppe Verdis Adaption des Shakespeare-Dramas „Macbeth“ den bisherigen Höhepunkt des Jahres.

Mit dem Stoff hat sich der Regisseur Michael Thalheimer binnen Monaten mehrfach beschäftigt. Mit Heiner Müllers rabenschwarzer Version ebenso wie mit Verdis Oper, die Thalheimer nicht optimistischer in Szene setzt als das Kriegsszenario Müllers. Thalheimer deutet die Welt als Schlachthaus, in dem die Menschen entfesselt um Macht ringen. Dafür hat Bühnenbildner Henrik Ahr eine wannenförmige, nur schwer zu überwindende Grube entworfen, in der die Figuren um brüchigen Ruhm ringen. Eine Wanne, die später zum Massengrab und Schlachtfeld mutiert. Am oberen Rand lauern die Hexen, welche die Machtgier Macbeths und seiner Lady befeuern. Eindrucksvoll, wie sich Lady Macbeth bei ihrer großen Auftrittsarie wie eine Marionette von der Oberhexe führen lässt.

Thalheimer spart nicht mit Blut, aber keine Orgien im Stil von Hermann Nitsch

Es sind große, klare, harte Bewegungsabläufe, die dem Spiel archaischen Nachdruck verleihen. Sowohl das düstere Bühnenbild als auch die Personenführung knüpfen an Thalheimers grandiose Inszenierung von Aischylos‘ „Perser“ am Wiener Akademie Theater an. Mit Theaterblut geizt Thalheimer nicht. Aber er lässt sich nicht zu Blutorgien im Stil von Hermann Nitsch verleiten, sondern das Rot der blutverschmierten Leiber ist als Teil der Maske gedacht und setzt einen der wenigen farblichen Kontraste zum düsteren Grundton. Wozu auch die grau-braunen Schottenröcke gehören, mit denen Thalheimer die Geschlechtertrennung im Kampf um die Macht überspielen will.

Optimistisch blickt Thalheimer auch nach dem Tod des Tyrannen nicht in die Zukunft. Der rechtmäßige Thronfolger Malcolm und der Kriegsheld Macduff rangeln um die Krone und einem potenziellen Erben der nächsten Generation, der am Ende allein auf der Bühne steht, quellen Blutschwaden aus dem Mund.

Ewa Plonk als Lady Macbeth überragt Hrólfur Saemundsson in der Titelrolle

So holzschnittartig Thalheimer die Solisten führt, so vital hält er den Chor, vor allem den der Hexen, in Bewegung. Auf optische Opulenz verzichtet der Regisseur. Auch in der Bankett-Szene. Alles scheint sich nur in der Vorstellung Macbeths abzuspielen. Ihn sieht Thalheimer als machtgierigen, letztlich aber für seine Ambitionen zu schwachen Menschen. Lady Macbeth ist ihm zwar überlegen, scheitert letztlich aber auch und endet im Wahnsinn. Die Ambivalenz der Titelfigur stellt Hrólfur Saemundsson eindrucksvoll dar. Der bis vor kurzem in Aachen engagierte Bariton tritt damit in die Stapfen großer Sängerdarsteller der Rheinoper wie Eugene Holmes oder Boris Statsenko, erreicht zwar noch nicht die stimmliche Stabilität seiner Vorgänger, dürfte aber mit jeder Vorstellung an der Rolle wachsen. Darstellerisch bleibt er dem zerrissenen Psychogramm des Regisseurs nichts schuldig und trotz manch dünnen Tons in den Höhen wird er der Partie auch vokal weitgehend gerecht.

Übertrumpft wird er allerdings von Ewa Plonk, die die schillernde Psyche der Lady Macbeth mit großem Charisma und einer mühelos ansprechenden Stimme zum Ausdruck bringt. Interessant, dass sie sich dynamisch zurückhält und ihre Gefährlichkeit vor allem in differenzierten Piano-Registern zeigt. Eine grandiose Leistung, auch wenn die mitunter dicken, bis ins Parkett wehenden Nebelschwaden ihrem Asthma, wenn auch für das Publikum nicht wahrnehmbar, Probleme bereiten.

Stefan Blunier am Pult der exzellenten Duisburger Philharmoniker

Zu den vokalen Highlights der Produktion zählen daneben Bogdan Taloş als Banco mit seinem voluminösen Bass und der sattelfest singende Chor der Rheinoper. Stefan Blunier am Pult der exzellenten Duisburger Philharmoniker kitzelt aus der experimentierfreudigen Partitur nahezu alles heraus, was Verdi an Klangfärbungen und Stimmungen aufbietet. Mit seiner großen Erfahrung, nicht zuletzt aus seiner erfolgreichen Zeit an der Bonner Oper, führt Blunier die vielen nuancenreichen Fäden der Partitur stilsicher und mit dramaturgischem Feingefühl zusammen.

Insgesamt ein Höhepunkt der Saison über die Deutsche Oper am Rhein hinaus. Entsprechend begeistert fiel der Beifall aus.