Essen. Ungewöhnliches Programm, mitreißender Auftritt: Simon Rattle und das LSO kombinierten in Essens Philharmonie Kurt Weill und Robert Schumann.

Als Abschiedsgeschenk gab es Gabriel Faurès Pavane. „Ein schönes, leichtes Stück“ nennt Simon Rattle lächelnd die Zugabe Montag Abend in der Philharmonie. Er weiß, wie schwer gerade so etwas ist. Wie er dann mit dem London Symphony Orchestra einen intimen Zauberschleier über den still lauschenden Riesensaal legt, ist ein Moment, an den wir noch lange denken. Dankbar, beschenkt.

Wer ihn oft hat hören dürfen – ob einst mit seinem Musikern aus Birmingham, Berlins selbstbewussten Philharmonikern oder jetzt mit dem Orchester, das er des Brexits wegen verlässt, um in München Chef zu werden – , der muss überlegen, wann aus dem energiegesättigten Feuerkopf der altersweise Maestro geworden ist. So minimalistisch wie entschieden zugleich.

Sir Simon (67) fordert merklich alles und doch regiert am Pult kein autoritärer Kontrollfreak. Das Ergebnis ist authentisches, extrem stilsicheres Musizieren – hier mit einem Klangkörper, der seine hohe Spielkultur am Montag von der allerbesten Seite präsentiert.

Ungewöhnlich das Programm: Kurt Weils „Sieben Todsünden“, einst als Ballettmusik geschaffen. Köstlich, das mit großem sinfonischem Atem zu hören: wie die listig gebrochenen Zitate von den verlogenen Walzern bis zum Zweivierteltakt der Habanera das Hosianna des Wohlstandes aushöhlen! Ein grandioses Herrenquartett aus lauter Opernkönnern gab den Chor, sich als Encore mit einer hinreißenden Barbershop-Perle verabschiedend. Einzig Rattles Gattin enttäuschte: Weills doppelte Anna sang Magdalena Kožená mit einem irritierend operettigen Ton, teils nicht über das Orchester kommend. Dass in dieser Partie eines fallenden Mädchens von Beginn an unter der Glücksuche die Gosse mäandert, erfühlt Kožená kaum.

Fulminantes Finale: Schumanns Zweite. Rattle hält das heikle Werk packend in der Balance: das Perpetuum-Mobile, die Schicksalsklage, die Skala Richtung Triumph. Das Zentrum des Adagio espressivo dimmt er per Extrem-Pianissimo an die Grenze des Hörbaren. Man saß auf der Stuhlkante – und das beglückt.