Düsseldorf. Wegen der Pandemie konnte die Sopranistin Linda Hergarten nicht auftreten. Nun jobbt sie im Seniorenstift - und hofft auf eine Rückkehr zur Kunst.

Die junge Dame, die hier im „Rosenhof“ eindeckt und dann – noch durch die Maske spürbar herzlich – das Menü serviert, könnten die Bewohnerinnen und Bewohner der rheinischen Seniorenresidenz kennen. „Das ist die Maske! Und statt Servierschürze waren es ja schicke Abendkleider“, sagt Linda Hergarten. Die Frau mit der Schürze ist Opernsängerin. Als die Welt das Wort „Covid 19“ noch nicht mal buchstabieren konnte, waren Auftritte wie solche im „Rosenhof“ Teil ihrer Selbstständigkeit. Da stand die Sopranistin hier auf der Bühne, besang mit Schmelz Puccinis „O mio babbino caro“ oder servierte augenzwinkernd Revuefilm-Schätzchen wie „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern!“.

Andere kennen Linda Hergarten, die an Düsseldorfs Robert-Schumann-Hochschule studiert hat, aus Gelsenkirchens Musiktheater im Revier. Hunderte Schüler riss sie mit, wenn sie in Klassen ging, hürden­los die „Oper aus dem Koffer“ zu zaubern. Anderswo brillierte sie mit Mozart oder Rossini.

Viele freischaffende Künstler kämpfen mit den Folgen der Pandemie

Das alles scheint wie eine andere Welt. Sie verschwand mit der Pandemie. Mit den Folgen kämpfen Linda Hergarten (32) und viele ihrer freischaffenden Kolleginnen und Kollegen bis heute. Und doch treffen wir in ihr keinen frustrierten Menschen. „Ich bin einfach nicht der Typ, der verzagt und den Kopf in den Sand steckt“, sagt sie. Das Servieren ist ein Nebenjob, etwas Geld „um die nächsten Monate über die Runden zu kommen, mich neu zu orientieren, ich brauch’ Zeit, alte Verbindungen wieder aufzubauen“.

Heimat Bühne: Linda Hergarten.
Heimat Bühne: Linda Hergarten. © Handout | brigitte lerho

Verbindungen, um ihre kleine Firma wieder ans Laufen zu kriegen. Was die Sängerin liebte. eine Bandbreite von Oratorium bis Pop zu haben, dauernd zu reisen, frei wählen zu können, nicht fest am Stadttheater zu arbeiten, das wurde in der Pandemie zum Problem. Mit ihrem Duo-Partner (Schwerpunkt kleine feine Hauskonzerte, Geburtstage, Hochzeiten, teils kombiniert mit „Couch-Surfing“) ist sie im Frühjahr 2020 auf einer Europa-Tour gerade Richtung Italien unterwegs. Da gewinnt Corona heftig an Dynamik: „Als wir in Südösterreich ein Konzert gaben, hieß es, dass Sonntag die Grenze nach Deutschland geschlossen wird. Wir waren mitten im Lockdown.“

In der Pandemie verlässt kaum jemand sein Haus

Dann fallen die Absagen der Gastgeber wie Dominosteine. Ihr Traumjob ist ohnehin nichts zum Reichwerden, „aber mein Glück war, dass Leben auf großem Fuß mir nie wichtig war“, findet Linda Hergarten. Ein Camper ist in dieser Zeit ihr Dach über dem Kopf. Nun aber versiegen ihre Einnahmequellen. Sie intensiviert das Housekeeping, auch als günstige Art zu Reisen, aber bald verlässt in der Pandemie kaum noch jemand sein Haus.

Sie gibt Gesangsunterricht, sendet digital Geburtstagsständchen. Sie bietet sich als Übersetzerin an, verkauft einen Teil ihrer Auftrittskleider... Aber das Schwierigste an der Pandemie: Es fehlt das Sichtbarsein, die Bühne, man müsse ja irgendwie zeigen, „dass es einen noch gibt“. Im Pandemie-Sommer geht das mit Straßenmusik. Überraschungen nicht ausgeschlossen: Als das Duo sein Open-Air für Fans mit dem Handy aufnimmt („Das musste ja weit weg sein, damit man sich filmen kann!“), geht eine Dame mit Rollator vorbei, sieht ein herrenloses Telefon, und steckt es ein. Linda Hergarten: „Ich hab weiter gesungen, so schnell war sie mit dem Rollator ja nicht, und bin hinterher. Ach, so, hat sie gesagt, da muss man dann mal ein Schild dran machen.“

„Irgendwann muss es ja vorbei sein“

Nun, mit den Lockerungen, sieht Linda Hergarten nach vorn. „Ich hab’ mir immer gedacht, irgendwann muss es ja vorbei sein.“ Sie blickt auf eine Zeit zurück, die „irgendwo auch aufregend war, weil man kreativ werden musste“. Noch nie habe sie sich derart oft die Frage gestellt „Was kann ich denn eigentlich noch?“ Jetzt hoffentlich: Singen!

Wer Linda Hergarten einmal hören will, bekommt hier einen Eindruck von ihrer Arbeit.