Essen. Das Folkwang zog ab Ende der 80er Besucher zu Hunderttausenden an. Doch die Ära der „Blockbuster“-Schauen scheint vorbei – bis auf eine Ausnahme.
1988 beginnt mit dem Wechsel an der Spitze von Paul Vogt zu Georg W. Költzsch eine Epoche für das Folkwang-Museum, die von großen Publikumsausstellungen dominiert ist. Anfang der 80er-Jahre hatte in Berlin die Schau „Preußen – Versuch einer Bilanz“ einen unerwartet großen Erfolg mit 450.000 Besuchern. In diese Fußstapfen trat das Folkwang Ende der 80er-Jahre mit einer Edvard-Munch-Ausstellung, die 230.000 Besucher anzog – die erste, die von der Ruhrgas AG als Vorfinanzierer und Sponsor begleitet wurde.
Es folgte 1990 die „Van Gogh und die Moderne“-Ausstellung mit 505.000 Besuchern; bei „Paul Gauguin – Das verlorene Paradies“ wurden 1998 341.000 gezählt, bei „Cézanne – Aufbruch in die Moderne“ (2004) noch 382.000 und bei „William Turner“ (2001) waren es 276.000. Den größten Erfolg – und zugleich den größten kunsthistorischen Ertrag – aber brachte die Wiederentdeckung der russischen Sammler Morosow und Schtschukin 1993, die allein in Essen 572.000 Menschen anzog. Dass beide Sammler als Konkurrenten des kauffreudigen Folkwang-Gründers Karl Ernst Osthaus bei Pariser Galeristen nach der Jahrhundertwende Großanschaffungen tätigten, war längst vergessen – nicht zuletzt, weil die sowjetische Geschichtsschreibung kein Interesse daran hatte, die richtungweisenden Entscheidungen der Textilfabrikanten und Großkaufleute und deren Folgen für die Entwicklung der Kunst herauszuarbeiten. Das konnte erst nach der Implosion der Sowjetunion zum Thema werden.
Folkwang-Sammlung wurde den Menschen vertraut
Ansonsten blieb der wissenschaftlich-kunsthistorische Ertrag der Publikumsausstellungen übersichtlich. Nicht von ungefähr wurden sie nach einer Weile „Blockbuster“-Shows genannt – inspiriert von Hollywood-Streifen für ein Millionenpublikum und Millionengewinne. Dass der Begriff allerdings auf Bombardements des Zweiten Weltkriegs zurückgeht, die ganze Häuserblocks auf einen Schlag vernichteten, hat mit Blick auf die Zerstörung des Folkwang-Museums in durch Bombardements in den letzten Kriegsmonaten einen unfreiwillig zynischen Einschlag.
Skeptisch sahen manche Kritiker auch den zunehmenden Einfluss der Sponsoren auf die Themen und Inhalte der Ausstellungen. Allerdings machten sie das Museum zum Ereignis, den Ausstellungsbesuch samt Katalog-Erwerb zum Statussymbol – und die Menschen mit der Sammlung des Folkwang vertraut.
Folkwang wurde zum Karriere-Sprungbrett für Gaßner und Fischer
Hubertus Gaßner (ab 2002) und dann Hartwig Fischer (ab 2006) als Nachfolger von Költzsch, der aus dem Ruhestand heraus die Kulturhauptstadt-Bewerbung mit dem Osthaus-Slogan „Wandel durch Kultur, Kultur durch Wandel“ inspirierte, setzten diese Linie fort. Freilich wurde das Sponsoring durch die Energieriesen wegen der Wirtschaftslage immer schwieriger, und die gewohnten sechsstelligen Besucherzahlen waren kaum noch zu erreichen. Was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass sich das Publikum an den immer gleichen Malerstars der Klassischen Moderne – van Gogh, Cézanne, Renoir, Gauguin – allmählich immer satter sah.
Gaßner und Fischer sahen im Folkwang denn auch eher Sprungbretter für ihre weitere Karriere: Der Kunstgeschichtsprofessor Gaßner wechselte nach nur drei Jahren an die Hamburger Kunsthalle, wo er 2016 auch in den Ruhestand ging. Der überaus diplomatisch agierende Gaßner-Nachfolger Hartwig Fischer, dem Berthold Beitz mit einem 40-Millionen-Geschenk durch die Krupp-Stiftung das Geschenk eines Neubaus zum Kulturhauptstadtjahr 2010 in den Schoß geworfen hatte, machte noch größere Sprünge: Er wechselte im Mai 2012 zunächst an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden mit ihren 15 Museen – und wurde 2016 dann sogar Direktor des British Museum in London.
Unglückliche Folkwang-Ära unter Tobia Bezzola
Fischers glückloser Nachfolger Tobia Bezzola (2013-2017) war entsetzt über die geringe Finanzausstattung des nach wie vor als städtisches Amt geführten Folkwang-Museums. Er versuchte aber gleichwohl, an die Tradition der Großausstellungen anzuknüpfen. Der größte Erfolg seiner Amtszeit aber war wiederum ein Geschenk der Krupp-Stiftung: Seit 2015 ist der Eintritt zur hauseigenen Sammlung frei; seit Beginn dieses Jahres finanziert die Stadt Essen das Erfolgsmodell, mit dem sich die Besucherzahlen verdreifachten und sechsstellig wurden.