Essen. . Tobia Bezzola verlässt das Museum Folkwang und geht nach Lugano. Direktor hat dem Haus neue Formate bescherte, mit der Stadt hat er immer gefremdelt.
- Über einen möglichen Wechsel wurde in Kunstkreisen schon lange spekuliert.
- Direktor hat dem Haus neue Formate beschert, mit der Stadt aber hat er immer gefremdelt.
- Findungskommission soll sich möglichst rasch nach einem Nachfolger umsehen.
Der Folkwang-Chefsessel hat in den vergangenen Jahren einige Direktorenwechsel erlebt. Hubertus Gassner zog es 2006 nach nur vier Jahren an die Elbe, Hartwig Fischer verließ Essen nach sechs Jahren für den Ruf nach Dresden. Tobia Bezzola wird das Museum nach nur fünf Jahren Richtung Lugano verlassen und sich am Aufbau des Museo d’arte della Svizzera italiana beteiligen.
Eine Heimkehr für den Schweizer Kunsthistoriker, der keinen Hehl daraus gemacht hat, dass er mit Essen und seiner Stadtgesellschaft nie wirklich warm geworden ist. Immer auf Abstand bedacht, mit beobachtender Distanz, hat Tobia Bezzola dem Haus gleichwohl spannende und abwechslungsreiche Formate beschert, die die Größe des Hauses trotz knapper Mittel immer wieder vielseitig zu nutzen wussten. Dank geschickter Kooperationen kamen Großprojekte wie die Struth-Ausstellung oder die deutschlandweit erste Präsentation der edlen Pinault-Collection zustande. Die Schau mit Modemacher Karl Lagerfeld sorgte für einen bis dato unbekannten Promi-Faktor. Und die Entscheidung der Krupp-Stiftung, den Gästen des Museum Folkwang fünf Jahre lang freien Eintritt in die Sammlung zu ermöglichen, brachte dem Haus nicht nur bundesweit positive Schlagzeilen, sondern auch ein Besucher-Plus.
Folkwang sei mehr als die großen Blockbuster-Schauen, mit denen das Haus vor allem in den 1980ern und -90ern Schlagzeilen machten, lautete Bezzolas Credo von Anfang an. Dass es irgendwann so kommen würde, dass auf Sicht überhaupt keine dieser Megaschauen der Klassischen Moderne zu realisieren sind, weil sich Großsponsoren wie Eon nicht mehr wie früher engagieren, dürfte ein Grund mehr gewesen sein, eine neue Wirkungsstätte anzustreben. Kritiker finden aber auch, dass das Werben um Sponsoren nicht zu den Stärken des introvertierten Schweizers gehörte.
Dass das Haus mit seinem Ausstellungsetat im Vergleich zu den Museen in Düsseldorf oder Köln deutlich unterfinanziert sei und allein durch die Organisationsform als quasi städtisches Verwaltungsamt schwer zu führen sei, hat Bezzola mehrfach beklagt. Als Essen 2013 unter Haushaltssperre stand und Projekte auf der Kippe standen, schien der Foto-Experte fast schon einen Strich unter das Kapitel Folkwang gemacht zu haben. Die Frage, ob er seinen Wechsel nach Essen bereut habe, beantwortete der vergrätzte Bezzola damals mit Ja. Kurz darauf musste eine Schau mit Bildern des Franzosen Balthus wegen einer Pädophilie-Debatte abgesagt werden. Seither blieben Spekulationen über einen vorzeitigen Wechsel des Folkwang-Chefs Dauerthema.
Der Wechsel kommt zu einem schwierigen Zeitpunkt
Allerdings verlässt der 56-Jährige das Haus zu einem schwierigen Zeitpunkt. Ende dieses Monats wechselt Florian Ebner, Leiter der renommierten Fotografischen Sammlung, ans Pariser Centre Pompidou. Im Herbst wird der langjährige Kurator der Ständigen Sammlung, Mario-Andreas von Lüttichau,verabschiedet. Er gehe davon aus, dass die anstehenden Bewerbungsgespräche auch vor dem Hintergrund eines Wechsels an der Museums-Spitze nicht abgesagt würden, sagt Kulturdezernent Andreas Bomheuer, der nun umgehend einen neuen Museumschef suchen muss.
Man wolle möglichst schnell eine Findungskommission bilden, erklärt Bomheuer. Das Amt sei so bedeutend, dass man die Personalsuche aktiv vorantreiben müsse. Bis zur Neubesetzung übernimmt Stellvertreter Hans-Jürgen Lechtreck kommissarisch die Leitung. Das Ausstellungs-Programm für 2018 und darüber hinaus ist festgezurrt.
Museum Folkwang hat herausragenden Ruf
Er sei „guten Mutes, wieder eine erstklassige Leitung für das Museum Folkwang zu finden“, sagt Ulrich Blank, Vorsitzender des Folkwang Museumsvereins. Das Museum habe einen „herausragenden Ruf in Europa“. Und das liege nicht nur an der weltberühmten Sammlung, sondern auch an der Architektur von David Chipperfield, der den Neubau im Auftrag der Krupp-Stiftung entwarf. Wie man einen neuen Chef künftig langfristiger ans Haus binden könnte? „Das wäre einfach“, sagt Blank, eine mittelmäßige Besetzung würde vermutlich bis zur Rente bleiben. Folkwang aber soll erstklassig bleiben – und zur Not vielleicht auch Sprungbrett für die nächste Direktoren-Karriere.