Essen. In unserer Serie „Long Covid kulturell“ berichten heute zwei Folkwang-Absolventen, was Corona für ihre Ausbildung bedeutete.
„Als der Lockdown kam, hatten wir mit dem Abschluss-Stück begonnen, ich stand im letzten Jahr an der Uni. Und dann plötzlich von einem Folkwang-Tag, an dem du von 9 bis 22h praktisch durcharbeitest, zur kompletten Schließung der Hochschule. Nach nur zehn Tagen Probe lag das für uns so wichtige Abschlussstücke auf Eis. Als es hieß „Fünf Wochen zu“, hab ich mir das überhaupt nicht vorstellen können. Theater, das hatte für mich bis dahin ja immer „The Show must go on“ bedeutet, komme, was da wolle.
Es sollte ja viel länger dauern. Und all das ausgerechnet in dem Jahr, in dem wir von der Uni abgehen, um zur Bühne zu wechseln, in dem das wichtige Absolventenvorsprechen plötzlich nur online ist. Ich will es nicht verzweifelt nennen, aber eine negative Anspannung, die gab es durchaus. Mein wichtigster Anker, das waren, wie immer, die Familie und die engen Freunde.
Aber die Bühne hat mir natürlich enorm gefehlt, für andere zu spielen singen, zu tanzen, das ist ja Teil meiner Identität. Umso dankbarer war ich, dass ich in dieser für Bühnenkünstler so schweren Ausnahmesituation relativ zügig Engagements bekommen habe: Dortmund, St. Gallen, Bonn – teils mit Lockdowns, aber auch mit unvergesslichen Abenden. Als wir in Bonn die Premiere „Chicago“ spielten, waren wir und das Publikum nach „All that Jazz“ so elektrisiert, dass manche von uns Tränen in den Augen hatten.
An was ich mich eines Tages erinnern werde, wenn von Covid die Rede ist? Hoffentlich an das Positive: an die wahnsinnige Energie, die alle gegeben haben, um Theater trotzdem möglich zu machen. Denn was ich am Theater sowieso liebe, das hat sich hier total beeindruckend gezeigt: Wie alle Rädchen ineinander greifen, um dieses eine Erlebnis so toll wie möglich zu stemmen.“
Lukas Mayer, 23, Musical-Darsteller, hat jetzt gute Engagements in Deutschland und der Schweiz.
„Ich erinnere mich an einen der letzten Momente, als wir noch als Klasse und Freunde zusammen sein durften. Das war auf meinem Balkon, ein Sonnenuntergang im März 2020. Die Corona-Zahlen stiegen langsam; wir hatten das Gefühl, etwas Großes würde hier passieren, haben uns viele Gedanken gemacht. Aber angesichts dessen, wo wir jetzt stehen, hat dieser Abend etwas sehr Naives.
Für uns hat sich dann alles geändert. Wir merkten schnell: Online-Unterricht funktioniert in unserem Beruf nicht. Wir sind ein Jahrgang, der mit dem Wegfall an Spielerfahrung hart getroffen wurde. Corona kam direkt nach unserer Grundausbildung. Danach macht man praktisch die ersten Erfahrungen am Theater – und die waren dann ja lange dicht. Außerhalb der Uni konnten die meisten also keine richtige Spielerfahrung machen, was normalerweise im Studium inbegriffen ist. Damit fiel eine wesentliche Dimension für den Übergang zur Praxis weg. Unseren Jahrgang hat die Pandemie in dem Punkt voll getroffen. Ich kann nicht sagen, dass ich die gleiche Ausbildung hatte, wie die Jahrgänge vor mir. Und dann sind kurz vor der Premiere unserer Abschlussarbeit zwei aus unserer Klasse coronabedingt ausgefallen, alles musste neu sortiert werden…
Viele von uns hat diese Situation aber auch zu sehr eigenständiger Arbeit geführt, weil wir angesichts des Wartens auf immer neue Ansagen „von oben“ mehr wollten als nur das machen, was uns gesagt wird. Das ist was sehr Positives. Überhaupt kann ich rückblickend sagen, dass die heftigen Rückschläge und nicht gekannte Probleme ja zugleich unser Aufbäumen und Problemlösen angetrieben haben. Dass man einer Krise etwas entgegensetzen muss, bleibt für mich eine zentrale Pandemie-Erfahrung.“
Anna Jörgens, 25, Schauspielerin. Die gute Nachricht: Ihr erstes Engagement hat sie ab Sommer 2022 in Saarbrücken.