Bochum. Wagemutige Spielzeiteröffnung am Schauspielhaus Bochum: Regisseur Christopher Rüping kreuzt Dantes „Das neue Leben“ mit berüchtigten Popsongs.

Ist es eine Premiere? Oder eine Probe? Ganz sicher kann man sich nicht sein bei der Spielzeiteröffnung am Schauspielhaus Bochum.

Regisseur Christopher Rüping bringt „Das neue Leben“ sehr frei nach Dante Alighieri auf die blanken Bretter, rührt ein paar tränenselige Popsongs unter und unternimmt nebenbei alles, um seinem Abend eine so heiter-verspielte wie abenteuerlustige Note zu geben. Erst am Ende des stürmisch gefeierten Zweistünders bringt er die dröhnende Theatermaschine in Gang.

Das Saallicht bleibt an, die Bühne ist leergeräumt, nur ein selbstspielendes Klavier steht am Rand. Als kämen sie gerade von der Mittagspause treten die vier Schauspieler auf die Bühne, scherzen, kichern, diskutieren und beschließen dann: Wir probieren das einfach mal aus.

Christopher Rüping zum ersten Mal in Bochum zu Gast

Weit über 700 Jahre alt ist die „Vita Nova“ von Dante Alighieri, die er als junger Mann in tiefer Zuneigung zur unerreichbaren Beatrice schrieb. Doch statt ihr seine Liebe zu gestehen, verstrickt er sich in immer tiefere seelische Qualen, die berühmten drei Worte bringt er nicht über die Lippen.

„Lass es einfach raus“, fordert William Cooper von der hochtourig aufspielenden Anna Drexler, die nervös von einem Bein aufs andere tritt. Also, ein Lied muss her! Anne Rietmeijer und Damian Rebgetz fassen sich ein Herz und stimmen kieksend die ersten Takte von „I will always love you“ an. Denn wer könnte derlei Gefühle besser beschrieben als die weltbekannte Philosophin Whitney Houston?

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Zeitlos schöner Text, zeitlos schnulzige Songs

Als experimentierfreudiger Nachwuchsregisseur hat sich Christopher Rüping in den letzten Jahren einen Namen gemacht. In seiner ersten Bochumer Arbeit kreuzt er einen zeitlos schönen Text mit zeitlos schnulzigen Songs von Britney Spears bis Meat Loaf, was gewiss gewagt ist. Doch weil das Ensemble einen wunderbar schiefen, fast zarten Zugang zu den berüchtigten Liedern findet, gewinnen Pomp und Popanz niemals die Oberhand.

Wenn bei Dante die Seuche wütet und Beatrice jung stirbt, liegt der Fingerzeig in unsere Corona-Tage nah. In einem rund 15-minütigen Zwischenspiel verwandelt Rüping die Bühne (von Peter Baur) in eine kraftmeiernde Drohkulisse. Nebel wabern, Lichter flackern, die Dance-Beats wummern. Das ist imposant anzuschauen, aber auch wahnsinnig dick aufgetragen.

Weitaus versöhnlicher stimmt das hoffnungsvolle Ende: Als alternde Beatrice tritt Viviane De Muynck, die Grande Dame des belgischen Theaters, in einer Traumsequenz auf. Mit schlichter Klarheit spielt sie ihre leider kurze Szene überragend.

Wieder am 19. September und 10. Oktober. Karten: 0234 / 33 33 55 55.