Düsseldorf. „Barock modern“: Eine sehenswerte Sammelschau im Museum Kunstpalast in Düsseldorf widmet sich den Parallelen zwischen Barock und Moderne.

Barock und Kunst der deutschen Nachkriegszeit in einer Ausstellung, das klingt verdächtig nach einer besonders originellen Pirouette zum Amüsement der Kunstgeschichtsschreibung. Aber genau umgekehrt wird man in der neuen „Barock Modern“-Schau des Düsseldorfer Kunstpalastes am Ende sehen, wie begrenzt die Tragfähigkeit von kunsthistorischen Stil- und Epochenbegriffen ist. Und wie viel es jenseits davon zu entdecken gibt.

Da sind die oberflächlichen Ähnlichkeiten, wenn K.O. Götz mit seinem Rakel über die Leinwand rast und eine ähnliche Dynamik im Faltenwurf einer „Maria Immaticulata“ zu entdecken ist, aber auch in Giovanni Battista Gaullis „Heiligem Ingatius vor der Madonna“ (um 1672), die auch noch farblich in denselben Tönen gehalten ist wie Götz’ energetische Höchstleistung „Giverny III/2“ (1987). Ähnliches gilt für die muskelbepackten Mythologie-Griechen eines Hendrick Goltzius (1588) und Götz’ titellose Lithografie aus dem Jahr 1963: himmelsstürzend allesamt.

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Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf feiert die Sammlung von Willi Kemp

Die Ausstellung „Barock modern“ feiert nicht zuletzt in ihren jüngeren Werken die Sammlung von Willi Kemp (1927-2020), die bereits seit 2011 zu den Beständen des Hauses gehört; deshalb ist ein Raum auch Kemps Korrespondenz mit Künstlern, seiner Arbeit für sie als schreibender Kenner gewidmet.

So wird die Schau denn auch zu einer Gelegenheit, die unbekümmert freizügigen Zeichnungen der Amerikanerin Dorothy Iannone zu zeigen, die sämtliche Freiheiten der Liebe genauso feiert wie es – Überraschung – auch die Kupferstiche eines Agostino Carracci tun, die eine Venus mit Ruten beim Züchtigen von Amor zeigen und einen Satyr, der dasselbe mit einer Nymphe tut, wobei es mehr um Lust als um Strafe geht.

Beim „Käserennen“ fließt Käse eine Plexiglasscheibe hinunter

Manchmal aber zeigen sich auch Unterschiede krass: Die niederländischen Stillleben des Barock mahnen, die Vergänglichkeit alles Irdischen nicht zu verdrängen – während Dorothy Iannones Herzbube Dieter Roth die Vergänglichkeit zum (heiterkeitsstiftenden) Material seiner Bilder macht wie beim „Käserennen“, bei dem verschiedene Sorten am oberen Bildrand mit einer Plexiglasscheibe eingeklemmt wurden und sich erst mit der Zeit entschied, welcher Käse zuerst nach unten laufen würde.

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Da sind naheliegende Parallelen wie die barocken Phantasmagorien eines Bernard Schultze in seiner „Migof“-Welt mit Mannequins, die in Verwesung überzugehen scheinen oder mäandernden Strich-Labyrinthen.

Selbst Graubners Kissenbilder greifen Barockes auf

Aber dass selbst ein Gotthard Graubner in seinen Kissenbildern Barockes aufgreift (Anne Sophie Mutter meinte ja, Graubner und Vivaldi müssten täglich telefoniert haben), das gehört denn doch zu den Überraschungen dieser Schau, die Daniel Cremer und die Grafik-Chefin des Kunstpalasts Gunda Lyken zusammengestellt haben. Die vielleicht größte aber ist die zusammengeklebte, kreisrunde Radierungs-Collage zu einem Deckenfresko von 1693, die man in eine Schublade der Sammlung steckte. Die lohnt schon fast allein die Anreise nach Düsseldorf.

Barock Modern. Museum Kunstpalast. Geöffnet: Di-So 11-18 Uhr, do bis 21 Uhr. Bis 17. Oktober. Katalog: Wienand Verlag, 25 Euro.