Oberhausen. Freundinnengespräch plus Kabarett: Gerburg Jahnke startet aus dem Corona-Blues im Internet gemeinsam mit der Kollegin Lisa Feller durch.
Neue Wege sind für Gerburg Jahnke ein alter Hut: Als sie mit Stephanie Überall noch als Missfits durch die Republik tourte, haben sie die TV-Serie „Der Tod ist kein Beinbruch“ gemacht, als die Missfits nicht mehr zusammenpassten, schlug sie eine Solo-Karriere ein, machte im Radio den „U-Punkt“ und im Fernsehen das „Gästinnen“-Kabarett „Ladies Night“, verlegte sich aufs Regieführen im heiteren Theater, ging mit Kolleginnen von Martina Schwarzmann bis Carolin Kebekus unter dem Motto „Frau Jahnke hat eingeladen“ auf Tournee.
Aber Corona hat selbst sie erst einmal ratlos gemacht. Bis sie ihren Internet-Podcast mit der Kollegin Lisa Feller anfing. „Der geht jetzt durch die Decke“, sagt sie; seit die beiden bei Frau Böttinger im „Kölner Treff“ waren, „sogar exponentiell, wie man jetzt immer so sagt“.
„Systemirrelevant, politisch, gesellschaftlich, finanziell“?
Warum fängt eine sowas an? Im Lockdown, sagt Gerburg Jahnke, „gibt es auch ein Bedürfnis, nicht mehr fremdbestimmt zu werden, also dass man sich die ganze Zeit bereithalten muss, ohne zu wissen, wann es wieder losgeht. Das hat mich im ersten Lockdown ziemlich fertiggemacht, sich zu fragen, wann gibt es mal wieder die Gelegenheit aufzutreten, wann ergibt sich mal was? Und das ist jetzt, im zweiten, ja noch viel schlimmer!“
„Du kriegst von allen Seiten suggeriert, du seist systemirrelevant, politisch, gesellschaftlich, finanziell. Das gilt für alle, die Kunst machen. Der Lockdown richtet sich gegen Selbstständigen, die Gastronomie, die Kurzarbeiter, die Alleinerziehenden, Kosmetikerinnen, Friseurinnen, und viele mehr. Und gegen die freie Kultur, in der fast nur Soloselbstständige arbeiten. Das ist wirklich erschütternd, da zweifelst du an deiner Daseinsberechtigung. Dabei hat die freie Kultur mehr Umsatz, mehr Arbeitsplätze als VW!“ Nachdenkliche Pause. „Aber keine Gewerkschaften.“
Gerburg Jahnke mit Lisa Feller am Zweieinhalb-Meter-Tisch im Studio
Früher wäre man vielleicht nicht so gern systemrelevant gewesen. „Aber welches System ist eigentlich gemeint damit? Der Staat? Der Spätkapitalismus? Jedenfalls nicht die ganze Gesellschaft, oder?“
Mit dem Podcast, den sie jeden Freitag mit Lisa Feller im Oberhausener „Tresohr“-Studio der „Pott People“ aufnimmt, gibt es nun wieder eine Arbeitsstruktur in ihrem Leben: „Eine Aufgabe zu haben, ein Gespräch, das verbindet: So ein Podcast tut nicht nur dem Publikum gut.“ Die beiden sitzen an den Enden eines Zweieinhalb-Meter-Tisches, „wir sehen uns beim Reden, statt am und der Podcast wird zwar zwei Tage vor der sonntäglichen Sendung aufgenommen, ist aber so gut wie live, „wir schmeißen höchstens mal einen Halbsatz weg, der in die Irre führt.“
„A lot of schlechtes Englisch“
Der Podcast liegt irgendwo in der Mitte zwischen Freundinnengespräch mit leichter Tratschnote und meinungsstarkem Spontan-Kabarett, alles auf einer höchst persönlichen Ebene mit Anekdoten aus dem wirklichen Leben, die wie Perlen einer Kette aus dem Internet kullern, da wirkt kaum etwas stilisiert. Es geht um „Piccolöchen und andere Impfungen“, „Menschen, Shopping, Sensationen“ oder „Hamsterweitwurf und Glitschitierchen“, manchmal wir auch über „A lot of schlechtes Englisch“ gealbert.
So ist eigentlich ein neues Genre entstanden, das bevorzugt („zu 70 Prozent“) von Frauen gehört wird. Und ein Heidenspaß für Frau Jahnke: „Da entstehen viele Themen, und viele kann ich weiterentwickeln zu Texten, die ich auch gern mal wieder live sagen dürfen wollte. Meinetwegen nur 75 Minuten. Und nur 100 Leute im Saal.“
„Der Pessimismus ist auf allen Seiten“
Applaus ist ein Lebensmittel, das Wechselspiel mit dem Publikum ein gut bezahltes Vergnügen, neben der ganzen Arbeit. Noch sind ihre Auftritte mit Katie Freudenschuss unter dem Titel „Zwei Haushalte“ nicht abgesagt, am 19. Februar sollte es losgehen, St. Pauli Theater in Hamburg, „aber die Leute kaufen zurzeit ja auch keine Karten, der Pessimismus ist auf allen Seiten“.
Frau Jahnke hat gerade Geburtstag gehabt, aber der zählt schon mal gar nicht, sie konnte ja nicht feiern. Aber sie zählt, man glaubt es wirklich nicht, schon zur Risikogruppe. Noch so ein Corona-Wort. „Und ich führe ein Corona-Tagebuch!“ Nicht etwa, um es irgendwann in einem Verlag gewinnbringend unter die Leute zu bringen, denn das würde jeden Datenschutzbeauftragten auf die Palme bringen: In dem Buch sind lauter Namen von Leuten unter dem Datum, an dem sie die getroffen hat. Damit sie dem Gesundheitsamt die Nachverfolgung von Infektionsketten erleichtern kann. Fast schon komisch: eine Kabarettistin im vorauseilenden Gehorsam gegenüber der Obrigkeit. Ausgerechnet jener Obrigkeit, die sie als Bühnenkünstlerin drastisch einschränkt: „Ich hab seit Monaten Arbeitsverbot“, seufzt sie, „aber ich bin ja einsichtig...“
Trotzträume in der Ausgangssperre
Allerdings widerstrebend, wie sie in ihrem Podcast mit Lisa Feller erzählt: Frau Jahnke hatte während der Ausgangssperre, die im Dezember wegen der hohen Inzidenz in Oberhausen ab neun Uhr abends galt, total Lust, um halbzehn aus dem Haus zu gehen, um die Blocks zu ziehen und sich irgendwo mit einem Fläschchen Bier hinzusetzen. Dabei lehnt sie Abendspaziergänge eigentlich strikt ab.
Trotzträume. Der Podcast hat also auch eine therapeutische Wirkung. „Ich glaub, ich könnte gar nicht mehr ohne,“ lacht Frau Jahnke.