Hattingen. Premiere seit Corona: Gerburg Jahnke tritt mit Sarah Bosetti und Martin Zingsheim in Hattingen auf. Das würde sie als Königin von Deutschland tun
Gerburg Jahnke steht am kommenden Samstag gemeinsam mit Sarah Bosetti und Martin Zingsheim auf der Bühne unter dem Hochofen. Im Interview spricht Sie über Lampenfieber, den Auftritt in Hattingen, wie Ungerechtigkeiten in der Corona-Zeit den Humor verändern und was sie als Königin von Deutschland tun würde.
Frau Jahnke, am Samstag stehen Sie in Hattingen auf der Bühne. Ist das tatsächlich der erste Auftritt, den Sie wieder haben werden?
Ja, das ist der erste.
Sind Sie nervös?
Total. Ich habe Lampenfieber. Immer. Und jetzt in Hattingen ist es ja sehr speziell. Es ist auch noch der WDR dabei. Und es gibt einen Mann. Ich bin ja sonst unterwegs mit Kolleginnen – mit ‘Frau Jahnke hat eingeladen’. Man hat mich gebeten, eine Art Gastgeberinnen-Rolle zu spielen, was ich sehr gerne tue. Da macht es besondere Freunde, einen jungen Mann anzusagen.
Kann Martin Zingsheim sich auf etwas gefasst machen?
Nein, ich mag Martin sehr und ich finde das, was er macht, auch sehr beachtenswert. Ich finde den richtig gut. Das ist einfach eine tolle Kombi in Hattingen. Sarah Bosetti kenne ich lange. Mit der bin ich schon seit vielen Jahren unterwegs und die hat sich unglaublich toll entwickelt. Sowohl als Schriftstellerin, wie auch auf der Bühne, ist sie eine sehr kluge und scharfsinnige Beobachterin.
Und was machen Sie?
Ich fürchte, ich muss über den Mann im Garten sprechen, weil die Leute da immer die Fortsetzung hören wollen. Das hat sich verselbstständigt. In der Coronazeit verändert sich das extrem, weil ich jetzt den Garten besetze.
Das ist ja dann auch Lebenshilfe: Wohin mit dem Mann, wenn man selbst im Garten ist?
Genau. Das ist ja das nächste größere Problem. Man hat das ja mit dem Mann nicht so geplant, dass man so viel zu Hause ist. (lacht) Das wirft ein paar Probleme auf. Darüber will gesprochen werden. Und was ich noch gar nicht so einschätzen kann: Wie viele Corona-Themen muss man bedienen und wie sehr haben die Leute eigentlich die Nase voll von dem Thema und möchten sich nur amüsieren. Da ist das eine super Gelegenheit, das rauszufinden.
Corona hat bei Auftritten viel geändert. Nicht nur der Mann ist in Gartenhaltung, sondern auch das Publikum muss oft draußen bleiben. Ist das eine neue Erfahrung?
Ja, ist es. Das Open-Air-Gelände in Hattingen ist ja der Hammer. Ich habe bisher nur in der Halle gespielt. Und ich kenne das Industriemuseum von meinen Fahrradtouren an der Ruhr. Dann hält man nämlich dort an und holt sich was zu essen. Ich finde das toll. Am Samstag sitzen die Leute ja in Liegestühlen, was ich auch sehr entspannt finde, sehr sommerlich.
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Die Veranstaltung ist ausverkauft. Es bleibt aber nicht Ihr einziger Auftritt im August.
Ich habe im August bei einigen Open Airs zugesagt. Wir machen die Erfahrung, dass selbst bei den Open Airs das Kartenkauf-Verhalten der Menschen vorsichtig ist. Es ist jetzt nicht so, dass die Schlange stehen und hinströmen, was man so gedacht hat. Man bekommt sehr viel Zuspruch im Social-Media-Bereich, aber der Schritt dahin, abends wirklich auszugehen, da tasten sich die Menschen langsam erst ran.
Es ist eine schwierige Zeit für Künstler. Im Ebertbad, in dem Sie häufig aktiv sind, läuft vorerst auch noch nichts. Dafür aber im Stadion in Oberhausen.
Die Leute sind zurückhaltend mit der Entscheidung, indoor ins Theater zu gehen. Ich finde diese Zurückhaltung auch nachvollziehbar. Ich kann das verstehen. Mir ist es lieber, sie sind vorsichtig, als dass sie auf Mallorca oder Teneriffa Dummheiten machen.
Resttickets für weitere Shows
Der Auftritt von Gerburg Jahnke, Martin Zingsheim und Sarah Bosetti bei „Kleine Affäre außer Haus“ am Samstag, 1. August, ist ausverkauft. Restkarten gibt es aber noch für die Open-Air-Veranstaltungen mit:
- Idil Baydar aka Jilet Ayse, Markus Barth und Friedemann Weise am 22. August ab 20.30 Uhr
- Zucchini Sistaz „Falsche Wimpern – Echte Musik“ am 25. und 26. August jeweils ab 20 Uhr
- Wilfried Schmickler, Ill-Young Kim, Ulan und Bator am 28. August ab 20.30 Uhr
Die Tickets kosten jeweils 28 Euro. Erhältlich sind sie online auf www.kleine-affaere.de.
Außerdem werden die Kleine-Affäre-Liegestühle im Anschluss an die Veranstaltungsreihe verkauft. Schon jetzt können sie reserviert werden mit dem Liegstuhl-Ticket für 27 Euro. Zu haben ist es ebenfalls auf der Website der Kleinen Affäre.
Das Aufeinander-Aufpassen hat Sie nicht zuletzt nach dem Schlaganfall Ihres Verlobten begleitet.
Ja. Und es ist ein bisschen beängstigend, dass zum Beispiel in vielen Discountern die Abstandsregeln nicht mehr beachtet werden – die Leute gehen zwar noch mit Maske rein, aber es ist ein Gedrängel und Geschubse. So dass ich schon überlege: Zu welchen Zeiten gehe ich einkaufen? Es beunruhigt mich, so zu tun, als wäre die Geschichte vorbei oder als wären junge Menschen unsterblich. Ich finde es gut, dass die Leute vorsichtig sind.
Da ist die gesundheitliche Seite, andererseits kennen Sie auch die Sicht der Künstler und Veranstalter. Gerade für kleine unabhängige Häuser ist es ja derzeit schwierig.
Es ist ein Desaster. Die Hilfen für privat geführte Theater sind null. Es stellt sich einfach für alle die Frage: Wie lange können wir durchhalten. Bei vielen Häusern ist das Publikum sehr hilfreich, sehr treu. Von den Karten, die die Leute gekauft haben, werden nur sehr wenige zurückgegeben. Die Leute halten die solidarische Verbindung aufrecht – also die, die es sich leisten können. Manche brauchen auch die 50 Euro. Das kann ich auch verstehen.
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Im Stück, das eigentlich im Ebertbad hätte laufen sollen, spielen Sie Frau Gott. Was wäre als Frau Gott oder Königin von Deutschland Ihre erste Maßnahme?
Ich glaube, ich würde dieses unglaublich viele Geld, was da nach allen Seiten vergeben wird, gerechter verteilen. Und ich würde dafür sorgen, dass es in den Arbeitsämtern und Gesundheitsämtern mehr Unterstützung gibt. Ich habe das Gefühl, man lässt diese Leute total alleine. Man liest: ‘Hartz IV für Künstler total einfach zu kriegen’ und dann gehen Künstler zum Arbeitsamt und sind einem Sachbearbeiter ausgeliefert, der sagt: ‘Die Gesetze sind, wie sie sind. Sie müssen zuerst mal aus Ihrer Wohnung ausziehen, weil die vier Quadratmeter zu groß ist für Hartz IV.’ Das würde ich als Erstes ändern.
Und wie gegen die ungerechte Verteilung vorgehen?
Ich finde gar nicht, dass jeder jetzt nach staatlicher Unterstützung schreien muss. Viele versuchen, viel selbst zu machen. Ich glaube, was alle so nervt, ist die Ungerechtigkeit der Verteilung. Man hat den Eindruck, wo schon Geld ist, kommt noch welches drauf und wo noch nie welches war, kommt auch keines hin. Ich glaube, dass das viel Unmut erzeugt in allen Bereichen. Dass ein Schlachterbetrieb, wo man die Schuldfrage stellen muss für so viele Infektionen, rechtmäßig auf Lohnausfallerstattung Anspruch erhebt, ist schwer zu ertragen.
Wo hapert es noch?
Ich finde, dass die Frauen verschwunden sind. Sie sind auf ihre Kernkompetenzen: zu Hause bleiben, um die Kinder kümmern, kochen und ein bisschen auf den Mann achten, dass dem nicht die Hand ausrutscht, reduziert. Und die, die als Heldinnen gefeiert wurden, kriegen jetzt trotzdem nicht mehr Geld. Da hat sich die Situation nicht verbessert. Ich habe einen Scherz gehört, den ich gut fand: Wir sollten drei Milliarden an die Pflegekräfte geben und jeden Abend für die Lufthansa klatschen. Das fand ich einen super Vorschlag.
In der Krise werden Frauen also unsichtbar?
Ja. Auch bei den ganzen Experten. Ich habe nur noch Virologen gesehen, aber keine Frauen. Ich bin froh um jede Wissenschaftlerin, jede Expertin und Gewerkschafterin, die was zu sagen hat. Frauen werden vielfach in die Heimarbeit gedrängt – man kann es Homeoffice nennen, das hört sich digitaler und emanzipierter an. Aber Frauen müssen sich in der Regel um alles kümmern. Ich habe allerdings eine Statistik gelesen, dass mehr Männer zu Hause geholfen hätten. Statt der üblichen 31 Prozent waren es jetzt 42. Hey!
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Als positiver Corona-Effekt ist das trotzdem ein Witz.
Dieses Virus scheint alle Missstände unter die Lupe zu nehmen und sehr hervorzubringen. So, dass wir draufgucken müssen. Das wäre ja auch gut.
Wenn man die Erkenntnisse nutzt.
Genau, da kommt es auf die Nutzung an. Das sehe ich genauso. Wenn es ein Nach-Corona gibt, wird dann einiges besser, haben wir etwas gelernt? Da gehen die Meinungen sehr auseinander.
Ist es trotzdem eine Zeit, in der man Scherze machen darf?
Auf jeden Fall. Ich selbst werde etwas ungehaltener.
Inwiefern?
Was die Ungerechtigkeiten angeht und die Meinungen, die man sich anhören muss, diese Verschwörungstheorien, diese Länder, die von gestörten Männern geführt werden und und und. Ich habe den Eindruck, irgendwann sind die Fakten klar und dann kann man nur noch böse werden. Ich werde in meinem Humor sarkastischer. Da schätze ich auch Martin Zingsheim, der in seinen Geschichten eine klare Meinung vertritt und auch mal mit bösem Humor arbeitet. Das ist so ein zauberhafter junger Mann und wenn der böse wird, dann denkt man: ’Hui’. Das gefällt mir gut.
Also können wir uns auf jeden Fall auf den Samstag freuen?
Ja klar. Wir haben einen wunderbaren Plan gemacht für uns drei. Wir haben alles durcheinander gemixt, dass Abwechslung entsteht. Es gibt Dinge, die ich mit Sarah zusammen mache. Einen Text lesen wir in verteilten Rollen. Das wird alles ganz zauberhaft. Und wenn es nicht regnet, wird es noch besser.