Düsseldorf. Caspar David Friedrich wurde von der Düsseldorfer Romantiker-Schule verdrängt. Nun hängen sie zum sehenswerten Vergleich im Museum Kunstpalast.
Heute, da einem bei dem Namen Caspar David Friedrich sofort seine Bilder vor dem inneren Auge stehen, allen vorweg Ikonen der Kunstgeschichte wie sein „Kreidefelsen auf Rügen“, der „Wanderer über dem Nebelmeer“ oder auch sein „Polarmeer“ der gescheiterten Hoffnungen, kann man es sich kaum noch vorstellen: Für ein gutes halbes Jahrhundert nach seinem Tod 1840 war Caspar David Friedrichs Malerei so gut wie von der Bildfläche verschwunden. Und Schuld daran waren – die Romantiker der Düsseldorfer Malerschule mit ihrem damals überbordenden Erfolg auf dem Kunstmarkt.
An diese Verdrängungsleistung auf dem Kunstmarkt und in Ausstellungen erinnert nun die neue Sonderschau im Museum Kunstpalast am Ehrenhof, der heutigen Heimstatt der Düsseldorfer Malerschule (die dort aber wegen der langwierigen abermaligen Restaurierung des Baus nur in Schauen wie der aktuellen zu sehen ist). Sie stellt in beeindruckender, anschaulicher Manier zwei Arten von Romantik vor, die von Zeitgenossen als Gegenpole wahrgenommen wurden.
Kuratorisches Team: Bettina Baumgärtel und Jan Nicolaisen
Und sie sind es bei genauem Hinsehen (das im Kunstpalast nicht nur ermöglicht wird, sondern gefordert ist) immer noch. Es gebe ohnehin nicht DIE deutsche Romantik, „sondern verschiedene Formen von Romantiken“, sagt Bettina Baumgärtel, Leiterin der Gemäldegalerie im Kunstpalast, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Jan Nicolaisen vom Museum der bildenden Künste in Leipzig die 130 Werke starke Ausstellung zusammengetragen hat (mit unerwartbaren Herausforderungen durch Corona – so wurden manche Leihgaben, weil die Kuriere nicht nach Deutschland einreisen durften, an der Landesgrenze übergeben). Ohnehin, stellt Kunstpalast-Chef Felix Krämer klar, habe sich ja noch jede Generation „ihren eigenen Caspar David Friedrich geformt“, vom Wilhelminismus über die Nazis bis hin zur Anti-Atomkraft-Bewegung. Für ihn ist das Aufeinandertreffen der „Düsseldorfer“ mit Friedrich wie eine Begegnung a la „Hollywood trifft Autorenfilm“.
Allemal war der 1774 in Greifswald geborene Friedrich ein Einzelgänger. Sein Status als Sonderling war redlich verdient, so wie er sich weder durch wechselnde Moden und zeitgenössischen Kunstgeschmack (der ja immer der Geschmack der kaufenden Klasse ist) beeindrucken ließ, noch durch einen vernichtenden Aufsatz des von ihm doch so verehrten Goethe über seine Bilder. Der Dichterfürst im Fürstendichter vermisste das Positive in den melancholischen Gemälden, fand sie monoton und meinte gar, man könne sie genausogut verkehrtherum aufhängen.
Frivoles Bohème-Chaos bei Johann Peter Hasenclever
Eigensinnig aber beharrte Friedrich, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen steilen Karriere-Aufschwung erlebte, bevor er Mitte der 1830er-Jahre allmählich in Vergessenheit geriet, auf seinen Bild-Ideen. Schon zum Auftakt der Düsseldorfer Ausstellung werden die Unterschiede klar: Hier die fröhliche Lebenslust der rheinischen Akademie-Maler wie bei Johann Peter Hasenclevers Atelierszene von 1836 mit lauter Teamplayern im kreativen bis frivolen Bohème-Chaos (wie es sich die braven Bürger heimlich erträumten), dort hingegen der einsame Künstler mit Pinsel, Staffelei und Malstock für die ruhige Pinselführung im kahlen Kämmerlein, wo ihn nichts ablenken konnte von seinen Maler- Ideen.
Andreas Achenbachs „große Oper“
Und wenn Andreas Achenbach einen Schiffsuntergang malt, dann ist das große Oper auf fast fünf Quadratmetern Leinwand, hochdramatisch und kantenscharf präzise; bei Friedrich wird aus dem „Seestück bei Mondschein“ eine 25 mal 31 Zentimeterchen große Miniatur: Dunkle See mit Mondspiegelstreifen, dunkle Wolken am Himmel mit stahlblauen Aufrissen und ein einsam dümpelnder Einmaster. Überhaupt sind Friedrichs kleine Formate oft die beeindruckenderen Stücke, etwa die kühne Wolkenstudie vom Oktober 1824 mit fast impressionistischen Wolkenstrichen und einem beängstigend schrägen Horizont am alleruntersten Fuß des Gemäldes.
Der genaue Blick auf das Craquelée in Gemälden wie „Das Riesengebirge“ aus der Berliner Nationalgalerie (wo man Ende des 19. Jahrhunderts auf eine Anfrage antwortete, Caspar David Friedrich sei „den Gelehrten der Sammlung unbekannt“) macht dann auch klar, warum ikonische Bilder wie der „Möch am Meer“ oder die bereits genannten nicht nach Düsseldorf reisen konnten: „Die Hebung der Malschichten ist extrem“, sagt Felix Krämer, „jeder Transport dieser Bilder ist extrem gefährdend“.
Caspar David Friedrich als „Anatom der Bäume“
Während die Düsseldorfer Romantiker die Natur als Kulisse und bestenfalls als Spektakel ansehen, ist sie bei Caspar David Friedrich stets eine Offenbarung mit einem mehr oder minder starken Gotteshauch, der einem auch wie ein heiliger Respekt vor der Schöpfung vorkommen kann; Melancholie paart sich bei dem Dresdner Maler stets mit Sehnsucht. Eine Innerlichkeit, wie man sie heute unter dem Begriff Romantik versteht – aber eben keineswegs unpolitisch: Friedrichs Figuren tragen oft die altdeutsche Tracht, die ab 1819 durch die Karlsbader Beschlüsse verboten wurde und als liberales Festhalten an Bürgerrechten verstanden wurde.
Selbst seine Gottesehrfurcht, sagt Kurator Jan Nicolaisen, müsse politisch verstanden werden, weil sie die Autorität von Fürsten und Kunstkritikern in Frage stellte. Und: „Caspar David Friedrich kann man geradezu als Anatom der Bäume bezeichnen, die malte er fast naturwissenschaftlich“. Ihre Rinde wird, egal ob in Friedrichs Zeichnungen oder seinen Ölgemälden, als botanische Haut kenntlich. Und oft wachsen diese Bäume völlig krumm und schief, wie bedrückt von den Verhältnissen, sie sind kahl, tot, schneebedeckt, machen frösteln. Auch deshalb lohnt sich im Kunstpalast neben dem genauen Hinsehen das Nachempfinden und Nachdenken.