Essen. Die Clublandschaft im Revier ist im Jahre 2017 immer noch sehr lebendig. Wer viel Umsatz machen will, benötigt aber etwas Einfallsreichtum.

Eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen am Wochenende ist und bleibt nach wie vor der Diskothekenbesuch. Sei es, um andere Partygäste mit spektakulären Tänzen zu beeindrucken, neue Musik kennenzulernen oder um einfach nur Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Nach aktuellen Zahlen des Gaststättenverbands Dehoga gingen 2016 wöchentlich knapp über eine Millionen Menschen in die Disko. Eine zufriedenstellende Zahl, bedenkt man die Situation vor ziemlich genau fünf Jahren, als die GEMA, Verwertungsgesellschaft von Musikkünstlern, das Tarifsystem für das öffentliche Abspielen von Musik nach eigenen Angaben „vereinfachen“ wollte.

Im Zuge der Veröffentlichung dieser Pläne hatten nicht wenige Betreiber Angst um ihre bloße Existenz, so auch Dirk Zimmer, Geschäftsführer des Rockpalastes und der Matrix in Bochum-Langendreer: "Der damalige Vorschlag der GEMA zur Tarifanpassung hätte eine Erhöhung von 550 Prozent nach sich gezogen, sodass wir bei einer jährlichen Gebühr von knapp 90.000 Euro gelandet wären. Wäre dieser Plan realisiert worden, hätte es vermutlich das Aus für 90 Prozent aller Clubs in Deutschland zur Folge gehabt",

Eine zwischen GEMA und der Bundesvereinigung der Musikveranstalter hart umkämpfte vertragliche Tarifeinigung trat zum 1. Januar 2014 in Kraft und milderte die Belastung für die Clubs deutlich. Konkreter: Für den Rockpalast und die Matrix Bochum stiegen die Gesamtkosten um 20 Prozent. Etwas über drei Jahre nach der Reform kann Stephan Büttner, Geschäftsführer des „Bundesverband deutscher Diskotheken und Tanzbetriebe“ ein zufriedenes Fazit ziehen: „Es gibt seit einigen Jahren eine leichte, kontinuierliche Marktbereinigung. Von einem Diskotheken-Sterben zu sprechen, ist aber Quatsch."

Nicht nur Großraumdiskos haben zu kämpfen

Konkrete Zahlen stützen Büttners Aussage. So reduzierte sich die Zahl der Diskotheken in Nordrhein-Westfalen von 293 im Jahre 2013 auf 280 im Jahre 2015. Dabei erwischte es nicht nur Großraum-Diskos wie den Delta Musik Park in Duisburg oder das PM in Moers. „Diese Tendenz trifft auch kleinere Betriebe. Man kann diesbezüglich nicht behaupten, dass es an der Erhöhung der GEMA-Gebühren liegt. Bei unseren Sitzungen spreche ich immer wieder viele Chefs von Großbetrieben, die bestens laufen. Die Wettbewerbsbedingungen sind einfach härter geworden“, sagt Büttner.

Um seine Location ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rufen, reiche es heutzutage nicht mehr aus, sich auf seinem Stammpublikum und altbewährten Partykonzepten auszuruhen. „Ob ein Club zufriedenstellend läuft, hängt von vielen Komponenten ab: Standort, Marketing, Atmosphäre sowie die wirtschaftliche Kompetenz und Professionalität sind allesamt wichtige Bausteine“, erläutert Büttner.

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Der "heilige" Charme von früher, kombiniert mit moderner Technik. Aus dem Oberhausener "Saint" wurde Ende 2011 der "Kulttempel". Hier gibt es an jedem Wochenende Parties für viele verschiedene Geschmäcker. © Tom Thöne / FUNKE Foto-Services

Kommt noch die ein oder andere kreative Idee hinzu, strömt die zahlende Kundschaft gern in den Laden. Manch ein vormals toter Standort wird sogar zu neuem Leben erweckt. Peter Jurjahn übernahm 2011 das marode Saint unweit der Oberhausener Turbinenhalle bei einer Zwangsversteigerung. Heute ist der Kulttempel ein bei den Wochenendpartys gut besuchter und von vielen Konzertveranstaltern gern gebuchter Club. Zahlreiche Szenegrößen spielen ausverkaufte Exklusiv-Auftritte, Vorabi-Feiern, 90er-Revival-Partys und selbst Wrestling-Turniere finden ihren Platz im Veranstaltungsprogramm. „Man muss viel malochen, sich um Werbung kümmern, den Leuten was Kreatives bieten und nicht immer nur kopieren, was in anderen Läden gut läuft. Wenn du als Club-Betreiber jede Woche das Gleiche machst, geht das in die Hose“, erklärt Jurjahn, der parallel den Kultkeller in Duisburg betreibt, sein Erfolgsgeheimnis.

Verschiedene Generationen suchen die passende Umgebung zum Feiern

Auf spezielle Angebote setzt der Ballermann 6 in Mülheim an der Ruhr. Der „Doppeldecker“, bei dem es einmal pro Monat immer zwei Getränke zum Preis von einem gibt, ist seit Jahren fester Bestandteil des Programms, sonst füllen häufig Live-Auftritte von Schlagersängern die 1200 Besucher fassende Lokalität an der Sandstraße. Betreiber Lee-Marc Sommer:„Ausgefallene Mottopartys für verschiedene Generationen gehören heute dazu. Ältere wollen eine Alternative zu Umgebungen, wo sonst nur Abipartys stattfinden. Zudem haben wir eine Klientel, die aufs Geld achtet."

Der Erfolg gibt ihm recht. „Seit 16 Jahren sind unsere Besucherzahlen konstant, das muss man erst einmal schaffen. Wir sind auf einem guten Weg“, freut sich Sommer, der die allgemeine Situation von Diskotheken in der Region allerdings eher pessimistisch einschätzt: „Ich denke, dass es in fünf Jahren nur mehr eine Großdisco pro Stadt geben könnte. Man muss sich ja nur anschauen, wie sich die Situation in Mülheim entwickelt hat.“ In der Tat: Das Freeland, den Nightstyle Club oder den Gelben Elefanten kennt die heranwachsende Partygänger-Generation in der 170.000-Einwohner-Stadt nur noch vom Hörensagen.

Gastspiele prominenter Discjockeys sorgen für volle Läden

Zehn Kilometer weiter östlich klagt Karl Burgath, Betreiber des 2009 eröffneten Naked in Essen, über die „schlechte Entwicklung“ in vielen Arealen der Stadt. „Die Leute zieht es immer mehr nach Rüttenscheid, die Zahlen vor allem im Norden brechen hingegen ein. Zudem läuft vieles in Shi-Sha-Bars oder auf Hinterhöfen, die im Gegensatz zu Diskotheken keine hohen Gebühren zahlen müssen“, sieht Burgath mehrere Gründe für sinkende Einnahmen. Ihm stößt des Weiteren die Gebührenstruktur der GEMA säuerlich auf, welche sich zu einem Großteil an der Raumfläche der Lokalität orientiert: „Vielleicht sollte man zukünftig Unterschiede machen, wenn sich manche mittelgroßen Clubs bekannte DJs ins Programm holen und manche nicht“, schlägt er vor.

Die Chancen für Änderungen der Konditionen stehen jedoch kurz- und mittelfristig eher schlecht. Der aktuelle Tarifvertrag zwischen GEMA und dem für Diskotheken zuständigen Gaststättenverband „Dehoga“ läuft noch bis zum 31. Dezember 2021.