Mülheim. Wie man die Welt aushält: Das neue Stück „Clowns im Sturm“, eine „musikalisch-komische Traumfahrt“, ist eine Steigerung von „Clowns 2 ½“.
„Clowns 2.0“, das wäre Robert zu wenig gewesen, deshalb hieß das komische Feuerwerk, das vom Theaters an der Ruhr vor dreieinhalb Jahren gezündet wurde, auch „Clowns 2 1/2“. Und während man im Fernsehen bei der 2,5-Männer-WG erfuhr, wie es bei Pausenclowns zu Hause aussieht, spielten Ciulli & Co. schon mal durch, wie es in einem Altersheim für notorische Spaßmacher zugehen könnte.
1a-Strip, Befehle auf Autoritärisch
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„Clowns im Sturm“, das am Donnerstagabend im Premierenjubel badete (mit Bravos zuhauf), ist nun nicht etwa eine Fortsetzung, sondern eine Steigerung. Denn die Realität der letzten Jahre bricht ein in die Residenz von Bebe, Bobo und Eric. Da kann ein herrenlos herumstehender Wanderrucksack schon mal heillose Panik auslösen. Da werden Menschen eiskalt erschossen, einer nach dem anderen, da ertrinken Menschen im wüsten Meer, auch wenn es so aussieht, als würden nur blau angestrahlte Plastikplanen über den Bühnenboden wabern (Gralf-Edzard Habben).
Der Wirklichkeit ins Auge zu sehen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, die vielen Paradoxien einer Welt voller Widersprüche auszuhalten, darin sind die Clowns uns eine Knollnasenlänge voraus. Auch wenn die gute Miene, die sie zum Spiel machen, vor allem aus Schminke besteht.
Komiker-Rasselbande auf pantomimischer Busreise
Wer dieser Komiker-Rasselbande bei einer pantomimischen Busreise zuschaut, den beschleicht auch der Gedanke, dass ausgerechnet in diesen Kostümen nichts als der nackte Mensch sich Geltung verschafft – zumal Steffen Reuber als Zauberer Asil, der nach und nach seine Kleidungsstücke verschwinden lässt, einen 1a-Strip hinlegt, bevor ihn die Gemeinschaft wieder einfängt und hinter rücksichtsvoll vorgehaltenen Tüchern und Mänteln wieder einer bürgerlichen Einkleidung zuführt.
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Im Zaum gehalten wird die nimmerstille Rasselbande wiederum von „Il Gigante Buono“ (Paraderolle für Rupert J. Seidl!), der einzige hier der spricht, wenn auch größtenteils auf Autoritärisch mit einem leicht diktatorischen Zungenschlag. Das schwarz-weiße Riesenvogelkostüm (wie alle anderen eine großartige Erfindung von Elisabeth Strauß) steigert das Drohpotenzial, aber auch hier kann die Bühne eine Schule fürs Leben sein, denn am Ende setzen sich die listigen Lustigen durch, auch wenn sie sich scheinbar widerstandslos herumscheuchen lassen.
Stein-Konzert und ein Häwelmann
Weil die Clowns ausgerechnet das Todernste nicht todernst nehmen, können sie immer wieder aufstehen, können tanzen wie die Derwische und mit dem Orient auf die Teppichrolle gehen statt in Angst zu erstarren. Ciulli hat auch für diesen wohlkomponierten Clownsnummernsalat den kongenialen Theatermusiker Matthias Flake gewonnen, und so gibt es staunenswert komische Leckerbissen wie ein Konzert mit einem Stein-Orchester.
Roberto Ciulli tritt bei alledem mal um mal als Roberto Ciulli auf, verteilt glitzernden Sternenstaub, segelt als kleiner Häwelmann auf einem gelben Halbmond herein und kocht Polenta mit Gorgonzola für alle. Jedenfalls behauptet er das. Und nach gut 100 so gar nicht erschöpfenden Minuten ohne Pause geht man gestärkt nach Hause.