Dortmund. . Sie schoss mit Gewehren auf die Leinwand und beglückte Promenaden mit Leben: Jetzt sind Arbeiten von Niki de Saint Phalle in Dortmund zu sehen.
Es musste wohl eine Bankierstochter aus altem Adelsgeschlecht sein: Niki de Saint Phalle, 1930 als Catherine Marie-Agnès Fal de Saint Phalle im Pariser Promi-Vorort Neuilly-sur-Seine geboren, wurde aus Notwehr Künstlerin. In früheren Zeiten, sagte sie einmal, wäre sie in der Irrenanstalt gelandet. So aber kam die Frau, die wegen ihrer Aufsässigkeit gleich von zwei Schulen geflogen war (einmal hatte sie Feigenblätter von Marmorskulpturen bunt angemalt) und 1948 heimlich ihre Jugendliebe heiratete, sieben Jahre später mit einem Nervenzusammenbruch und einer anschließenden steilen Kunstkarriere als Therapie davon.
Die Sucht nach dem Schuss
Erste Leinwandversuche der frühen 50er-Jahre zeigten vor allem Grenzen ihrer malerischen
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Fähigkeiten auf, die bunten Gestalten und Szenen kamen wie naiver Expressionismus daher. Dann aber wurde sie schlagartig berühmt mit Schießbildern: Auf Vernissagen ballerte sie mit Gewehren auf Reliefs aus eingegipsten Farbbehältnissen, die Farbe rann herunter, gerann zu Zufallsbildern. Sie habe damals auf ihren Vater geschossen, auf alle Männer eigentlich, auf die Gesellschaft, die Kirche...“
Das Dortmunder Ostwall-Museum zielt also auf das Zentrum von Saint Phalles Kunstwirken, wenn es nun in einer Ausstellung mit über 100 Arbeiten ihre Frauenbilder untersucht. Am Ende ihres bis 2002 währenden Lebens war sie ja berühmt für die drallen, kräftig-bunten Weibsbilder „Nana“, wie sie als „Life-Saver“ der Duisburger City Leben einhauchen, den Strawinsky-Brunnen am Centre Pompidou zieren oder das Leibniz-Ufer in Hannover, dessen Sprengel-Museum Saint Phalle einst 400 Werke vermachte.
Süchtig nach dem Kick der Aufmerksamkeit
Von dort kommt ein Großteil der Leihgaben in der Dortmunder Ausstellung, die sehr schlüssig Saint Phalles Weg nachzeichnet. Die Schießbilder hatten sie berühmt, aber auch süchtig gemacht nach dem Kick, der Aufmerksamkeit – nach gut zwei Jahren zwang sie sich, damit aufzuhören.
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Schon in den 50ern hatte sie Scherbenbilder geschaffen und dreidimensionale Collagen aus Flohmarktfunden und Spielzeug, die zu surrealen Frauenfiguren gerieten und das Weibliche von allen Seiten erforschten und ausstellten: Göttin und Braut, Gebärende, Mutter und Hure, Alternde und Mädchen, Sklavin und Herrscherin. Eine aus Müll und Blumen zusammengeschusterte, 1,50 Meter breite „Marilyn“, die zwei Jahre nach dem Freitod der Film-Ikone die geschäftliche Seite des Mythos’ und seine Künstlichkeit so entstellte, dass sie auf den ersten Blick zu erkennen waren.
Das fröhliche Pochen auf Frauenrechte
Von der großen Aktion „Hon“ („Sie“) in Stockholm, bei der sie Museumsbesucher eine hallenhohe, liegende Nana durch den Unterleib betreten ließ, in deren Innerem eine Bar und ein Kino für Unterhaltung sorgten, gibt es in Dortmund leider nur ein Dokumentations-Foto zu sehen, ansonsten aber hat das Ostwall in der Oberlicht-Galerie der sechsten U-Turm-Etage imposant große, übermannshohe Nanas in nicht minder imposanten Höhen postiert: Schwarze Nanas etwa, die das fröhliche Pochen auf Frauenrechte mit der „Black Power“-Bewegung der USA verschmolzen, oder auch die berühmte „Lili oder Tony“, die sie für die Stuyvesant-Fabriken in Holland fertigte.
Das schönste Stück der Schau ist allerdings weder feministisch noch sexistisch, sondern fröhlich kritisch, eine Gemeinschaftsarbeit mit ihrem zweiten Ehemann, dem Bastelkönig Jean Tinguely: eine überlebensgroße, typisch saintphallische Frauenkopfkontur mit neun bunten Glühbirnen auf dem Scheitel, der von einer rostigen Apparatur darunter zum Kopfnicken bewegt wird, auf Knopfdruck. Titel: „L’Illumination“, was ja Beleuchtung heißen kann. Aber auch – Aufklärung.