Essen. Rock-Dandy Nick Cave hat mit "Der Tod des Bunny Munro" einen Roman geschrieben, der sich zunächst liest wie ein sexbeladenes Sittengemälde, aber tatsächlich von der Qual der Sühne erzählt.
„,Ich bin verdammt', denkt Bunny Munro in jenem plötzlichen, klaren Moment, der denen vorbehalten ist, die bald sterben werden.” Mit diesen Worten beginnt Nick Cave seinen Roman „Der Tod des Bunny Munro”. Und mit ihnen könnte er auch gleich enden. Denn wer dies gelesen hat, der weiß, wohin die Reise geht. Aber wie in seinen düsteren, manischen Songs ist auch hier entscheidend, auf welcher Route man in die Hölle gelangt.
Tod und Teufel
Der Australier Cave kam in den frühen 80ern nach London, seine Band Birthday Party zelebrierte krachige Orgien auf der Bühne, beschwor Tod und Teufel. Später dann trat Cave mit den Bad Seeds auf, zementierte seinen Ruf als geheimnisvoller Rockpoet und getriebener Dandy. Damals hing er an der Nadel, wechselte die Frauen und dachte gewiss oft selbst den Satz: „Ich bin verdammt.”
Cave, heute 52, lebt seit mehr als zehn Jahren ohne Drogen. Er hat Frau, Kinder, gilt als disziplinierter Arbeiter, der brav in sein Kellerbüro geht und Schauerballaden ausbrütet. Dass er seine Dämonen ausgetrieben hätte, heißt das aber nicht. Sonst würden seine Gedanken nicht immer wieder zu ihnen zurückkehren.
Hasenöhrchen hinter dem Kopf
So ist auch Romanheld Bunny Munro ein Getriebener: Ein Kosmetikvertreter, der sich selbst für cool hält und der seine Kundinnen nicht nur mit Schönheitsprodukten beglückt. Ihm ist es nicht zu peinlich, seinen Vornamen zu illustrieren, indem er mit den Zeigefingern Hasenöhrchen hinter seinem Kopf macht.
Bunny ist besessen davon, Frauen flachzulegen, zu baggern jenseits aller Peinlichkeit, selbst an der Theke von McDonald's. Dabei merkt er zu spät, dass er mit dem Cocktail aus Sex, Alkohol und Selbstbesoffenheit in die Selbstzerstörung steuert. Er erhält eine erste Ahnung davon an dem Tag, an dem sich seine Frau am Fensterrahmen des Schlafzimmers erhängt.
Bunny, stets auf der Flucht vor Nähe und Verantwortung, steht plötzlich mit seinem kleinen Sohn da, hilflos und überfordert.
Schuld empfindet er nicht bewusst
Es ist faszinierend, dass der Mann so etwas wie Schuld für die vielen Male, bei denen er seine Frau betrog und sie so in den Tod trieb, zunächst gar nicht bewusst empfindet – so schläft er direkt nach der Trauerfeier mit einer Freundin seines Arbeitskollegen. Und doch wird Bunny von der Last des Gewissens niedergedrückt, mit jeder Abfuhr, mit jedem Vollrausch stärker.
Deshalb ist „Der Tod des Bunny Munro” mehr als eine Abfolge grotesker Sexszenen in der Unterschicht. Es ist ein Roman über Sühne, verdrängte Sehnsüchte und die Einsicht, dass man Selbsttäuschung und den Lebensstil des Rock'n'Roll nicht ewig ungestraft aufrecht erhalten kann. Eine Erkenntnis, die sich Nick Cave schmerzhaft erarbeiten musste.
Nick Cave, Der Tod des Bunny Munro, Kiepenheuer & Witsch, 320 S., 19,95 Euro