Bochum. Sie ist konfliktreiche und tolerante Schnittstelle der drei großen monotheistischen Weltreligionen und ein Symbol für die religiöse Thematik der Triennale 2009 - die Stadt Jerusalem. Der Gambist Jordi Savall führt mit buntem Instrumentarium durch ihre wechselvolle Geschichte.

Ein markanteres Symbol für die grenzüberschreitende religiöse Thematik der Ruhrtriennale als Jerusalem, die ebenso konfliktreiche wie tolerante Schnittstelle der drei großen monotheistischen Weltreligionen, lässt sich kaum vorstellen. Und einen aufgeschlosseneren Anwalt für eine musikalische Zeitreise durch die 3000-jährige wechselvolle Geschichte der Multi-Kulti-Stadt als der katalanische Gambist und Musikforscher Jordi Savall ebenso wenig.

Es ist ein glücklicher Zufall, dass sich Savall bereits für ein CD-Projekt ausführlich mit dem Thema beschäftigte, aus dem ein dreistündiges Programm erwuchs, das vor wenigen Wochen in Graz uraufgeführt wurde.

Auch wenn Savalls Gattin, die prominente Sopranistin Montserrat Figueras, krankheitsbedingt ausfiel, mangelte es angesichts der 40-köpfigen Instrumentalisten- und Sängerschar aus aller Herren Länder nicht an Zugkraft und schillernder Vielfalt. Zu Savalls eigenen Ensembles, der vokalen „Capella Reial de Catalunya” und der Instrumentalgruppe „Hespèrion XXI”, gesellten sich zahlreiche Gastmusiker aus Israel, dem Irak und anderen Ländern des Nahen Ostens.

Savall tauchte mit wissenschaftlicher Akribie tief in die lange Geschichte der Stadt ein und stellte ein Programm zusammen, das alle drei betroffenen Religionen – Judentum, Islam und Christentum – ausführlich zu Wort und Ton kommen ließ. Dabei spielte es keine Rolle, dass man bei den Vorträgen der sehr alten Beispiele nicht zwischen spekulativen Anteilen und historisch gesicherten Erkenntnissen unterscheiden konnte. Im Zen-trum stand die spirituelle Konzentration, mit der die Sehnsucht nach Frieden zum Ausdruck gebracht wurde, und zwar in erstaunlich vielen Facetten synagogaler, muslimischer und auchchristlicher Klänge.

Die sprituelle Kraft Kraft der Musik

Dabei schienen sich merkwürdigerweise auch die stilistischen Unterschiede anzunähern, obwohl Savall ein abenteuerlich buntes Instrumentarium von Widderhörnern über Psalter bis zu Krummhalslauten und altertümlichen Streichinstrumenten zusammenstellte und ein geradezu babylonisches Sprachgewirr auf das Publikum eindrang. Aggressive Klänge verbreiteten neben einem ohrenbetäubenden Bläserchor aus gewundenen Schofar-Hörnern und erzenen Langposaunen ausgerechnet „christliche” Anteile wie der Aufruf Papst Urbans zum Kreuzzug und, indirekt, Shlomo Katz' ergreifendes Klagelied auf die Gräuel des Holocaust, das als historische Aufnahme eingespielt wurde.

Savall, der das Geschehen mit einer Mini-Gambe auf dem Schoß aufmerksam, aber zurückhaltend verfolgte, vertraute im Wesentlichen der spirituellen Kraft der Musik. Optisch reicherte lediglich ein kurzer Derwisch-Tanz den konzertanten Vortrag an; und eine große Kerze, die zu Shlomo Katz' Auschwitz-Elegie angezündet wurde.

Begeisterter Beifall für einen anspruchsvollen Abend der besonderen Art.

Ort: Bochum, Jahrhunderthalle. Termine: 29. und 31 August, jeweils 20 Uhr. Ticket-Hotline: 0700 2002 3456. Internet: www.ruhrtriennale.de