Essen. Ruhr.2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt spricht im Interview über die Finanzen und die Ziele der Kulturhauptstadt - und findet, dass es zu viel ums Geld und zu wenig darum geht, was die "Metropole" zu bieten hat.

Herr Scheytt, wie steht die Kulturhauptstadt inzwischen finanziell da?

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Oliver Scheytt: Wir haben die erfreuliche Mitteilung zu machen, dass 95 Prozent der erforderlichen Mittel gesichert sind. Wir haben Kontakte zu weiteren Sponsoren und Präsentationen in Stuttgart, München und Hamburg.

Wer interessiert sich denn in Stuttgart für Ruhr.2010?

Scheytt: Die Robert Bosch-Stiftung hilft bei einem sehr schönen Projekt mit. Sie kürt jedes Jahr Chamisso-Preisträger – Menschen mit Migrationshintergrund, die auf deutsch schreiben wie Saša Stanišic. 2010 werden diese Preisträger an fünf Schulen im Ruhrgebiet mit Schülern, die auch einen Migrationshintergrund haben, Texte erarbeiten – für einen Roman des Ruhrgebiets.

Sie sprechen von 95 Prozent. Was ist mit den fehlenden fünf Prozent?

Scheytt: Wir möchten schon noch den einen oder anderen Euro bekommen. Nachdem das Programm steht, geht es jetzt um bundesweite Werbung.

Wie hoch ist Ihr Budget?

Scheytt: Mit 48 Millionen sind wir gestartet, damals haben wir gesagt, wir wollen 60 zusammenbekommen. Das haben wir so gut wie erreicht. Es gibt aber auch Mittel, die direkt in Projekte fließen. So hat die Mercatorstiftung Essen 2,5 Millionen zur Verfügung gestellt, mit denen sie Veranstaltungen wie „pottfiction” mit den Kinder- und Jugendtheatern fördert.

Gibt es Sach-Sponsoring?

Scheytt: DB Schenker stellt 60 Lastwagen zur Verfügung, mit denen die Tische zur A 40 transportiert werden. Es gibt aber auch Personalsponsoring, wir haben eine Marketing-Direktorin von einer Unternehmensberatung und bei der Rechtsberatung eine Anwaltskanzlei, die für uns arbeitet. Wir haben Zusagen für Sachleistungen in Höhe von fünf Millionen.

Suchen Sie auch noch weitere Sponsoren?

Scheytt: Ja, nicht zuletzt für die „Schachtzeichen” – Ballons über ehemaligen Schachtanlagen. Es gibt schon viele Paten, aber wir brauchen noch Unterstützung. Am 17. September entscheidet der Aufsichtsrat endgültig, aber es deutet alles darauf hin, dass „Schachtzeichen” sichergestellt ist.

Warum war das Budget so klein? Die Kulturhauptstadt Linz '09 hat mit 200.000 Einwohnern genauso viel.

Scheytt: Wir sind im Ruhrgebiet daran gewöhnt, mit wenig Geld viel zu machen. Und die öffentlichen Kassen sind angespannt. Es geht mir aber schon viel zu lange um die Frage, wieviel Geld wir haben und ob wir genug haben. Entscheidend ist für die Kulturhauptstadt, dass wir darauf hinweisen, was diese Metropole zu bieten hat – auch jenseits von 2010. Den kulturellen Reichtum, den wir hier täglich erleben.

Ein Projekt gestrichen

Bisher hat die Kulturhauptstadt nur ein Projekt streichen müssen: das Besucherbergwerk auf Zollverein. Der Grund für die Absage ist nur indirekt fehlendes Geld; es ging darum, dass der Betrieb nur bis 2015 gesichert werden konnte. Die RAG wollte sich nicht verpflichten, über diesen Zeitraum hinaus das Wasser im Schacht abzupumpen. Und NRW konnte keine Mittel für ein Projekt zusagen, das nicht mindestens zehn Jahre läuft. Die Stadt Essen aber brauchte eine Garantie, dass keine Rückzahlungsverpflichtung für sie entstehen würde.

Was kann man dazu tun?

Scheytt: Wir müssen uns als Gesamtheit darstellen! Und darin sind wir, noch bevor 2010 begonnen hat, viel weiter, als ich es erhofft hatte. Wenn man überlegt, dass die Reisekataloge jetzt die Metropole Ruhr als Ganzes darstellen. Wenn man sieht, dass die Theater bei der "Odyssee" zusammenarbeiten, dass Opern, Konzerthäuser und die Ruhrtriennale beim Henze-Zyklus mitmachen. Die Kunstvereine arbeiten zusammen, die Künstlerbünde, das reicht von Avantgarde bis zu Veranstaltungen mit hunderttausend Menschen. Natürlich wird es immer auch Kritik geben, je nachdem, aus welcher Sicht argumentiert wird – den einen ist es zu groß, den anderen zu fein.

Die Kulturhauptstadt bietet viel. Wo ist der rote Faden?

Scheytt: Wir sagen: Wir gestalten eine Metropole, wir bewegen Europa, wir machen den Mythos Ruhr begreifbar. Das ist es, was wir Europa mitzuteilen haben: wie aus diesem Ballungsraum, der von Kohle und Stahl geprägt ist, etwas anderes, Neues wird. Wir haben uns die Kunst erarbeitet – bei den Ruhrfestspielen tauschten die Schauspieler Kunst gegen Kohle, die Ruhr Triennale bespielt die Industriehallen, die wir uns mit der IBA Emscherpark erobert haben. Das ist unsere Botschaft, das ist der rote Faden in unserem Programm.