Bochum. . Durch Marius von Mayenburg vom Staube befreit: Alan Ayckbourns Gesellschaftssatire „Familiengeschäfte“ mit blutigem Schluss am Schauspielhaus.
Boulevard trifft auf Blutfontänen: Am Bochumer Schauspielhaus kitzelt Regisseur Marius von Mayenburg aus Alan Ayckbourns flockiger Gesellschaftssatire „Familiengeschäfte“ die Abgründe heraus und färbt den ohnehin bösen britischen Humor noch eine ganze Spur dunkler. Ihm gelingt eine lustige, bunte Groteske, die bloß am deftigen Ende etwas übers Ziel hinausschießt.
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Heimlicher Star des Abends ist das Bühnenbild: Mit viel Liebe zum Detail haben Nina Wetzel und Doreen Back ein ganzes Haus auf die Drehbühne gestellt. Zwei Stockwerke ist es hoch, Wohnzimmer, Küche, Bad, kleiner Garten, alles da. Hier würde mancher gerne einziehen.
Die blitzschnellen Szenenwechsel wirken fast filmisch
Ayckbourns trickreiche Vorlage verlangt, dass dieses Haus als Ort für vier verschiedene Häuser zugleich dient. Während im Wohnraum noch gestritten wird, geht es im Schlafzimmer des Nachbarhauses also bereits munter zur Sache. Diese blitzschnellen Szenenwechsel wirken fast filmisch.
Die „Familiengeschäfte“, Ende der 80er-Jahre entstanden, sind nicht Ayckbourns bestes Stück, weshalb es wohl auch nicht zu den meistgespielten Stoffen dieses so populären wie produktiven Dramatikers zählt. Die moralinhaltige Geschichte des Möbelfabrikanten Jack, der nur das Edle und Gute aus seiner Firma herausholen möchte und daran natürlich grandios scheitert, weil ihn alle gnadenlos über den Tisch ziehen, wirkt an manchen Stellen beinahe bieder. Nach und nach bröckelt die Fassade der heilen Welt, und Jack muss die bittere Lektion lernen, dass jeder seiner Freunde und Verwandte ein dunkles Geheimnis trägt.
Wie ein Tony Soprano
Nicht das kleinste Verdienst des Regisseurs Marius von Mayenburg ist, dass die Staubschicht, die das Stück angesetzt hat, inmitten des großen Trubels gar nicht weiter auffällt. Mit 13 Figuren auf der Bühne ist rund zweieinhalb Stunden dermaßen viel los, zumal eine Slapstick-Einlage die nächste jagt, dass der Zuschauer manchmal gar nicht weiß, zu welcher Ecke des Bühnenbildes er gerade blicken soll. Alles ist natürlich unglaublich übertrieben, dabei aber punktgenau und mit viel Gespür für Tempo und das treffende Timing inszeniert.
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Neben den klassischen Zutaten einer Boulevardkomödie wie dem gehörnten Ehemann oder dem Liebhaber im Kleiderschrank braucht es bei Ayckbourn immer auch einen Leitwolf: Michael Schütz stolpert als Jack mit sichtlichem Vergnügen von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen und erinnert in seiner herzlichen Grobschlächtigkeit durchaus an den TV-Mafiaboss Tony Soprano. Seinen Widerpart findet er in dem aalglatten Privatdetektiv Benedict Hough: Der erstaunliche Torsten Flassig bringt einigen Grusel mit ins muntere Spiel, was mit dunklen Klängen (Musik: Matthias Grübel) etwas pathetisch unterstrichen wird.
Blutiges Ende fast wie bei Tarantino
Auch das übrige Ensemble ist schwer auf Zack: darunter Florian Lange als verhuschter Desmond, der sein Heil nur am Kühlschrank findet, Bettina Engelhardt als treue Ehefrau, Minna Wündrich als fiese Schlange, Therese Dörr als leidgeprüftes Nervenbündel – oder Juliane Fisch als rebellisches Töchterchen, das zum turbulenten Finale in der Badewanne einmal schwer ausholen darf.
Ja, das blutige Ende – soviel sei verraten – ist weniger von Billy Wilder als mehr von Quentin Tarantino inspiriert und hat nicht jedem im Saal gefallen. In den herzlichen Beifall mischen sich vereinzelte Buh-Rufe fürs Regieteam; aber das ist angesichts dieser rundum gelungenen Sause ein bisserl kleinlich.