Essen. Ulrich Peltzers Roman “Das bessere Leben“ verdient den Deutschen Buchpreis. Es thematisiert die Gegenwart, den Vietnamkrieg und den IRA-Terror.

Krefeld kommt auch drin vor, aber es geht um nichts weniger als das, was unsere Welt in unserer Zeit zusammenhält – und was sie auseinandertreibt, ja explodieren zu lassen droht. Ulrich Peltzer (59) hat mit „Das bessere Leben“ einen Roman geschrieben, der – ein bisschen altmodisch vielleicht – an dem Anspruch von Literatur festhält, die Gegenwart besser begreifen zu lassen. Oder doch wenigstens das, was den Lauf der Geschichte anzutreiben scheint.

Vietnamkrieg und IRA-Terror

Im Mittelpunkt zwei Manager, im Mittelpunkt, wie könnte es in Zeiten global verschärfter Kapitalverwertung und -verselbstständigung anders sein: das Geld. Sylvester Lee Fleming, ein Meister der Leerverkäufe, heißt nicht nur wie ein Geheimagent, er handelt auch so, wenn er Geld besorgt, nachdem er zuvor dafür gesorgt hat, dass Menschen, Firmen in Situationen hineingeschlittert sind, in denen sie dringend Geld brauchen, viel Geld. Jochen Brockmann, der nicht nur so durchschnittlich heißt, kommt als Sales Manager eines italienischen Unternehmens ungeahnt in genau diese Lage.

Doch der Roman hat auch politische Dimensionen: Fleming war Augenzeuge des berüchtigten Kent-State-Massakers 1970 in den USA, die Nationalgarde erschoss seine gegen den Vietnamkrieg demonstrierende Herzensfrau und drei weitere Studenten. Ein desillusionierendes, zynismusförderndes Ereignis. Und Brockmann gehörte zur linksalternativen Jugendszene am linken Niederrhein der 80er-Jahre, wo die IRA gegen britische Kasernen bombte. Wie schon in Peltzers Romanen „Alle oder keiner“ (1999) und „Teil der Lösung“ (2003) ist auch „Das bessere Leben“ eine Art politische Biografie seiner Generation, die aufräumt mit falschen Idealen, die hinterfragt, was als mehr oder minder ungeschriebenes Gesetz galt.

Das spannendste Buch bisher

Die wahre Meisterschaft aber entwickelt dieser Roman im Erzählen. Peltzer, Träger des Niederrheinischen Literaturpreises, gehört zu den Fortschreibern der beinahe schon klassischen Avantgarde von Joyce über Döblin bis zum frühen Grass. Ein geschickter, subtiler Komponist der Mehrstimmigkeit, ein virtuoser Sprecher der erlebten Rede, unbeirrt auf Leser setzend, die das Nachdenken, das Stutzigwerden, das Zweifeln nicht scheuen und geübt sind in der Überbrückung von Löchern in der Kontingenz eines Romans.

Und doch ist Peltzer das wohl spannendste Buch seines bisherigen Oeuvres geglückt, was den Verlag gleich dazu übergehen ließ, etwas reißerischer als angebracht von einem „Thriller“ zu werbesprechen. Den Deutschen Buchpreis, für den der Roman nominiert ist, hätte „Das bessere Leben“ allemal verdient. Was angesichts der nicht immer nachvollziehbaren Jury-Entscheidungen allerdings der unwahrscheinlichste Ausgang ist.