Düsseldorf/Duisburg. Kein Fehlstart, aber auch kein Coup: Die neue Rheinoper-Intendanz eröffnet mit Benjamin Brittens Fischer-Drama "Peter Grimes" am Düsseldorfer Opernhaus und mit Richard Strauss' "Salome" in Duisburg.
Mit einem Doppelschlag eröffnete das neue Leitungsteam der Deutschen Oper am Rhein unter Federführung von Intendant Christoph Meyer in beiden Häusern des Zwei-Städte-Instituts den Premierenreigen der Saison.
Mit Benjamins Brittens Fischer-Drama „Peter Grimes” im Düsseldorfer Opernhaus und tags darauf Richard Strauss' exotischem Skandalon „Salome” im Theater Duisburg stemmte man zwei Schlüsselwerke des 20. Jahrhunderts. Die denkbar unterschiedlichen Macharten der Stücke und Inszenierungen schließen einen direkten Vergleich aus. Was die musikalische Qualität angeht, hat Duisburg in der „Salome” mit dem besseren Orchester und einer ausgeglicheneren Besetzung die Nase vorn.
Die Duisburger Philharmoniker leuchten
Michael Boder bringt die Duisburger Philharmoniker zum Leuchten und kann sich auf erfahrene Ensemblemitglieder wie die charismatische Morenike Fadayomi in der Titelrolle oder Wolfgang Schmidt als Herodes verlassen. Mit sinnlichem Timbre und starker Darstellungskunst markiert Morenike Fadayomi einen Höhepunkt des Wochenendes. Wolfgang Schmidt karikiert den Herodes nicht, sondern singt die Partie voll aus. Desgleichen die mondäne Renée Morloc als Herodias und als einziger Gast Markus Marquardt als sonorer Jochanaan.
Axel Kober, der neue Musikchef der Rheinoper, tat sich in „Peter Grimes” mit den Düsseldorfer Symphonikern schwerer. Der Klang versprühte wenig Atmosphäre, blieb oft stumpf. Probleme, mit denen auch sein Vorgänger John Fiore einige Zeit zu kämpfen hatte. Mit Roberto Saccà engagierte man einen prominenten Gast für die Titelrolle. Ein Mozart-erfahrener Tenor, dessen Stimme allerdings für die ganze Bandbreite von resignierter Verlorenheit bis zum exaltierten Gewaltausbruch zu klein ist. Auch Gun-Brit Barkmin als Ellen Orford, der gute Geist im Umkreis des ungeliebten Eigenbrötlers, berührt nicht. Das liegt nicht nur an ihren steifen Spitzentönen, sondern auch an einer konzeptionellen Schwäche der Inszenierung.
Wie eine Horde entfesselter Zombies
Immo Karaman verschenkt die Chance, die Katastrophe aus der unauffälligen Normalität des Dorfalltags zu entwickeln. Bei Britten errichten Menschen wie du und ich mit ihren kleinen Fehlern eine Barrikade aus Vorurteilen und Intrigen, die in den Abgrund führen. Die präzisen Charakterstudien der vielen Figuren verblassen in Düsseldorf, indem sie Karaman in den ersten beiden Akten vom (exzellent singenden) Chor aufsaugen lässt, der sich wie eine Horde entfesselter Zombies gebärdet. Eine Erzählung nicht von dieser Erde, sondern von einem entfernten Planeten der Verdammten. Die „menschliche Dimension” wird durch das überdimensionale Bühnenbild von Kaspar Zwimpfer zusätzlich reduziert: eine zum Schiffsrumpf verbogene, meist noch in tristes Dunkel getauchte Häuserzeile, vor der die Menschen bis zur Unkenntlichkeit verschwinden.
Zustimmung in Düsseldorf, Proteste in Duisburg
Traf die Düsseldorfer Premiere beim Publikum auf Zustimmung, hagelte es in Duisburg Proteste. Was der Düsseldorfer Aufführung an hellen Farben fehlte, lieferte Tatjana Gürbaca in der „Salome” mit grellen Knalleffekten reichlich nach. In einem Bürgersalon – Tapeten und Teppiche von Klaus Grünberg liebevoll mit reichen Ornamenten verziert – trifft sich in der Optik der Regisseurin die Sippe um die judäische Prinzessin zu einer Familiensaga, in der das ebenso verwöhnte wie vernachlässigte Töchterchen am Ende nicht nur den „Kopf des Jochanaan” begehrt, sondern zum Amoklauf ansetzt, die gesamte Verwandtschaft ausrottet und sich selbst die Kugel gibt. Ein irritierender, keinesfalls abwegiger Schluss, der letztlich jedoch nicht überzeugt, weil Salome in Duisburg zum klinischen Fall erklärt wird und der Grund für die emotionale Entgleisung unerklärt bleibt.
Warum buhlt ein pubertierendes, abgewiesenes Mädchen mit dem abgeschlagenen Kopf seines Geliebten? Antwort: Weil es nicht gelernt hat, Irritationen und Wünschen anders zu begegnen als mit Gewalt. Doch gerade diese entwicklungspsychologische Dimension des Stücks bleibt unterbelichtet, die schillernde Geschichte wird zum spektakulären Gemetzel banalisiert.
Szenen-Foto: Hans Jörg Michel