Oberhausen. Uraufführung in Oberhausen: Horwitz verkörpert in „Moi non plus“ die Gesangs-Legende. Das Stück grenzt jedoch die politische Dimension fast aus.
Was folgt dem Tod eines großen Künstlers? Ein Requiem? „Ich will ein Konzert“, fordert Serge Gainsbourg (Dominique Horwitz) von seinem ehemaligen Produzenten Philippe (Hartmut Stanke). Ein Konzert bekommt er. Ein Konzert, ein begeisterndes zumal, erlebt auch das Publikum. Das hatte sich allerdings von Albert Ostermaiers dramatisierter Biografie des französischen Sängers, Dichters und Provokateurs auch einen anregenden, womöglich nachdenklich stimmenden Schauspielabend erhofft.
Ursprünglich hatte die Uraufführung von „Moi non plus“ Ende Mai in Recklinghausen stattfinden sollen. Im Frankreich-Schwerpunkt der Ruhrfestspiele bildeten Leben und Werk Gainsbourgs (1928-1991) ein Leitmotiv des Programms. So widmeten Jane Birkin und Michel Piccoli dem Weggefährten eine packende Hommage. Im Festival-Kontext hätte Ostermaiers Stück, als Koproduktion mit dem Theater Oberhausen, wohl eine andere Wirkung entfaltet. Doch dann erlitt Horwitz, auf den die Rolle Gainsbourgs zugeschrieben ist, einen Schwächeanfall, der Recklinghausen-Start wurde auf 2016 verschoben. Beibehalten wurden die Oberhausener Termine mit der Folge, dass aus der Nachschau die Uraufführung zum Start in die Spielzeit wurde.
Die Ausgangsidee ist nicht originell, aber durchaus ansprechend. Nach seinem Tod geht Gainsbourg, im Gespräch mit Philippe, seine Lebensgeschichte noch einmal durch. Zwei junge Leute (Lise Wolle, Jürgen Sarkiss) helfen, die Erinnerungen zu illustrieren. Doch einerseits – nicht nur im ersten Teil, wenn es um die Erfahrungen des jüdischen Jungen im besetzten Frankreich und um die daraus resultierenden lebenslangen Traumata geht – überfordert der Dramatiker und Lyriker Ostermaier den Zuschauer. Das von so manch seltsamen Lyrismen durchsetzte Bio-Drama setzt tiefe Kenntnisse der Biografie voraus, die selbst in Frankreich nicht alltäglich sein dürften. Ostermaier konzentriert sich auf die privaten Aspekte einer zerrissenen Künstlerexistenz. Da wird gelitten, geraucht und gesoffen. Die bei Gainsbourg so wichtige politische Dimension, der Skandal etwa, den seine „verhunzende“ Reggae-Version der Marseillaise in Frankreich auslöste, diese Dimension fehlt fast gänzlich, und Peter Carps brave Regie setzt diesem Mangel wenig entgegen.
Letztlich gleicht Ostermaiers Annäherung den Moderationstexten eines Liederabends. So wenig „Moi non plus“ zum Theaterstück taugt, so großartig funktioniert es unter musikalischen Gesichtspunkten. Die Band um den Gitarristen Peter Engelhardt lotet zwischen Chanson, Rock und Reggae alle Facetten bravourös aus. Und der Star des Abends, Dominique Horwitz, ist die Idealbesetzung. Wobei im gleichen Atemzug Jürgen Sarkiss genannt werden muss, der einen Teil der großen Chansons mit einer Intensität und Ausdruckskraft singt, die der von Horwitz in nichts nachsteht.