Oberhausen. . Der Schauspieler, Sänger und Regisseur Dominique Horwitz spielt in Oberhausen den Sänger Serge Gainsbourg in der „Moi non plus“-Uraufführung.
Die Uraufführung von Albert Ostermaiers neuem Stück „Moi non plus“ über den Liedermacher Serge Gainsbourg, eine Produktion des Theaters Oberhausen, war für die Ruhrfestspiele im Mai geplant. Doch weil Hauptdarsteller Dominique Horwitz zuvor in Bochum einen Schwächeanfall auf der Bühne erlitt, wurde die Premiere ausgesetzt. Nun wird „Moi non plus“ am Freitag in Oberhausen aus der Taufe gehoben. Wolfgang Platzeck sprach mit Horwitz.
Soeben ist Ihr erster Kriminalroman erschienen. Sind Sie ein künstlerischer Abenteurer auf ständiger Suche nach neuen Herausforderungen?
Dominique Horwitz: Wollte ich darauf Ja sagen, würde mir das die Schamröte ins Gesicht treiben. Ich möchte diese Frage aus Anstandsgründen nicht beantworten.
Dann anders: Sie sind Schauspieler, Regisseur, Autor, literarischer Moderator, Sänger, arbeiten für Film, Fernsehen… Wie würden Sie sich selbst definieren?
Ich bin das, was andere auch sind: eine bunte Vielfalt von unterschiedlichen Facetten und Talenten. Diese Talente werden von den meisten nur im Hobby ausgelebt. Ich bin in der glücklichen Lage alles, was mich wirklich interessiert und ausmacht, in meine Arbeit einbringen zu können. Ich weiß wohl, dass das ein Privileg ist. Ich bin ein Glückspilz!
Gehören Sie deshalb auch keinem festen Theater-Ensemble an?
Ich würde durchaus gern in ein festes Engagement gehen, wenn sichergestellt wäre, dass mein Gestaltungsspielraum bewahrt bliebe. Ich arbeite seit 30 Jahren frei und ungebunden. Selbst gestalten zu können ist ein unbezahlbares Glück.
Sie haben Brecht-Lieder gesungen und Chansons von Jacques Brel, mit Orchestern wie den Bochumer Symphonikern gearbeitet, nun geht es um Serge Gainsbourg. Welchen Stellenwert hat Musik für Sie?
Musik ist mehr als nur ein Aspekt meiner Arbeit; sie ist für mich so bedeutsam wie das Wort, der Gedanke oder das Theater. Meine Beschäftigung mit Musik ist Teil der ewigen Suche nach dem eigenen Ausdruck.
Wie ist die Wahl auf Gainsbourg gefallen, der zwar in Frankreich im Rang einer Ikone steht, in Deutschland aber doch meist auf den legendären, seinerzeit als „skandalös“ etikettierten Song „Je t’aime – Moi non plus“ mit Jane Birkin reduziert wird?
Der Schriftsteller und Dramatiker Albert Ostermaier hatte mich gefragt, ob ich mir die Mitwirkung an einem Stück über Gainsbourg vorstellen könne. Die Antwort war ein beherztes Ja. Denn wer sich mit Gainsbourgs Biographie beschäftigt, findet alles, was vielen großen Künstlern gemein ist: Die schmerzvolle Suche nach Wahrheit; die Lust, sich zu exponieren; die unermessliche Angst vor Versagen. Wir leben in einer Zeit, die gesättigt, saturiert ist. Noch bevor wir ernsthaft anfangen nachzudenken oder zu handeln, fragen wir: Was steht mir zu, was kann ich kriegen oder gar nehmen? Selten fragen wir: Was kann ich geben? – Gainsbourg vermittelt uns Mut und Leidenschaft. Er schenkt uns die Bereitschaft, wenn alles den Bach runtergeht, sich dem daraus erwachsenden Schmerz zu stellen. Und dazu ertönt richtig gute Rockmusik. Künstler wie Gainsbourg tun unserer Welt Not.
Stichwort Not: Sie sind seit einigen Jahren Schirmherr der Rett-Syndrom-Elternhilfe, engagieren sich in aller Stille für junge Mädchen, die von dieser durch Gen-Mutation hervorgerufenen Entwicklungsstörung betroffen sind. Wie kommt man zu einem solchen Engagement?
Ich habe mir das nicht ausgesucht – die wirklich wichtigen Projekte im Leben suchen einen aus. Wir probten damals in Hamburg ein Stück von Albert Ostermaier. Eine Kollegin im Theater, eine betroffene Mutter, kam auf mich zu und fragte, ob ich die Elternhilfe nicht irgendwie unterstützen könne. Ich hatte schon Jahre zuvor, bei den Dreharbeiten zu dem Film „Verrückt nach Paris“, eindringliche Erfahrungen mit Behinderten gemacht und konnte gar nicht anders als zuzusagen. Durch mein Engagement habe ich sehr viel bekommen. Mit Sicherheit mehr als ich zu geben vermochte. Dafür bin ich sehr dankbar. Und doch muss ich sagen, dass das Geben in Form von Kunst, sei es Theater oder Musik, der meinem Temperament entsprechende Weg ist. Die Poesie und der Gesang können manchmal den Schmerz und die Trauer, wenn nicht heilen, so doch lindern. Darüber konnte Gainsbourg viele Lieder singen.