Berlin. Mit einem Frauenanteil von nur 22 Prozent ist die Berliner Akademie der Künste immer noch ein Männerverein. Jetzt übernimmt erstmals ein Frauenduo.
Die Filmemacherin Jeanine Meerapfel ist nach mehr als 300 Jahren die erste Präsidentin an der Spitze der Berliner Akademie der Künste. Die 71-jährige Deutsch-Argentinierin will die renommierte Künstlergemeinschaft gleichberechtigt mit ihrer ebenfalls neu gewählten Stellvertreterin Kathrin Röggla (43) führen.
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"Wir sind eine Doppelspitze. Ich werde mich nicht auf einen höheren Stuhl setzen", sagte Meerapfel am Sonntag vor Journalisten. In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur kündigte sie an, das gesellschaftspolitische Engagement der Akademie fortzusetzen. "Hier wird nicht nur Kunst gemacht und Kunst gezeigt. Wir wollen auch Fragen aufgreifen, die sonst in der Gesellschaft nicht gestellt werden."
Die in Berlin lebende Regisseurin und Filmproduzentin war am Samstag bei der Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit zur Nachfolgerin des langjährigen Präsidenten Klaus Staeck (77) gewählt worden. Die österreichische Schriftstellerin Kathrin Röggla ("wir schlafen nicht") übernahm das Amt der bisherigen Vizepräsidentin Nele Hertling (81).
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) nannte die Wahl der weiblichen Doppelspitze einen "Meilenstein": "Es freut mich, dass gerade durch diese markanten Positionen die Kultur in Deutschland weiblicher wird." Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach von einem "wichtigen Signal" für die Kulturhauptstadt Berlin.
Keine weiteren Bewerbungen
Die bisherigen Präsidenten Staeck und Hertling hatten nach drei Amtszeiten nicht erneut kandidieren dürfen. Weitere Bewerbungen aus dem Kreis der derzeit 403 Mitglieder gab es nicht. Am Samstag wurden auch die anderen Senatsposten neu besetzt. Erstmals zogen der Filmemacher Rosa von Praunheim (72) und die Autorin Kerstin Hensel (54) in das Führungsgremium ein. Der Schriftsteller Ingo Schulze trat nicht mehr an.
Die neue Präsidentin Meerapfel gehört seit 1998 der Künstlergemeinschaft an, seit drei Jahren war sie stellvertretende Direktorin im Bereich Film- und Medienkunst. Bekannt wurde sie mit Filmen wie "Malou", "Annas Sommer" und "Der Deutsche Freund".
Nach 320 Jahren ist eine Frau an der Akademie-Spitze
"Viele haben gesagt, nach 320 Jahren ist es Zeit für eine Frau", berichtete Meerapfel. Allerdings sei Kunst keine Frage von Alter, Gender oder Hautfarbe. "Ich bin, die ich bin." Röggla sagte, sie verstehe ihre Wahl als einen Auftrag, dem bisherigen "krassen Ungerechtigkeitsverhältnis" gegenüber Frauen entgegenzutreten. Nur gut ein Fünftel der Mitglieder sind Frauen.
Die 1696 gegründete Akademie hat die Aufgabe, die Künste zu fördern und die Politik in kulturpolitischen Fragen zu beraten. Das neue Führungsduo will die von Staeck eingeführten "Akademiegespräche" zu aktuellen kontroversen Themen fortsetzen und die internationale Zusammenarbeit weiter ausbauen. "Das Europa, das wir meinen, ist nicht ein Europa mit geschlossenen Türen", so Meerapfel.
Akademie-Präsidentin Jeanine Meerapfel - Filmen aus Verantwortung
Rassismus, Intoleranz und Vorteile - mit diesen Themen setzt sich die Filmemacherin Jeanine Meerapfel (71) immer wieder auseinander. Am 14. Juni 1943 als Kind jüdischer Auswanderer in Buenos Aires geboren, hat sie selbst früh Ausgrenzung erlebt. In ihrem jüngsten Film "Der deutsche Freund" (2012) erzählt sie sehr persönlich davon.
Nach einer journalistischen Ausbildung in Argentinien kam sie 1964 mit einem Stipendium nach Deutschland. In Ulm lernte sie bei Alexander Kluge und Edgar Reitz das Filmhandwerk. Auf ihr Debüt "Malou" (1980) folgten zahlreiche prämierte Spiel- und Dokumentarfilme wie "Die Kümmeltürkin geht" (1985), "La Amiga" (1988) und "Annas Sommer" (2001).
Meerapfel lebt in Berlin und hat hier eine Filmproduktion. Fast 20 Jahre lehrte sie als Professorin an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Der Berliner Akademie der Künste gehört sie seit 1998 an. Vor ihrer Wahl zur Präsidentin am Samstag war sie drei Jahre stellvertretende Direktorin im Bereich Film- und Medienkunst.
Akademie-Vizepräsidentin Kathrin Röggla - Schreiben zum Nachdenken
Kathrin Röggla versteht ihr Schreiben als eine Auseinandersetzung mit der Welt. "Literatur soll Fragen stellen helfen, Blickverhältnisse schärfen, Spaß machen natürlich auch", sagte die österreichische Autorin einmal. Das dürfte auch für ihre Arbeit als Vizepräsidentin der Akademie gelten.
Am 14. Juni 1971 in Salzburg geboren, studierte Röggla dort und in Berlin Germanistik und Publizistik. Schon mit 17 veröffentlichte sie erste Texte. Sie schreibt Romane, Essays und Theaterstücke, fürs Radio macht sie Hörspiele und akustische Installationen.