Berlin. . Neun Jahre stand Klaus Staeck der Akademie der Künste als Präsident vor. Nun nimmt er Abschied und zeigt mit einer Ausstellung seine Sicht auf die Aufgabe der Kunst.

Der schlurfende alte Mann mit den schlohweißen Zottelhaaren im Foyer steht unter dem Schutz des Präsidenten. Klaus Staeck (77) bittet die rund 600 Gäste zur Eröffnung seiner Ausstellung „Kunst für alle“ dem „straßenfeger“-Verkäufer sein Blatt für 1,50 Euro abzukaufen. Der alte Mann macht ein gutes Geschäft.

Staeck tritt Ende Mai als Präsident der Akademie der Künste nach neun Jahren ab. Er verabschiedet sich mit seinem Lebenswerk, für das zwei große Hallen, mit Regalen bis an die Decke vollgepackt, kaum reichen. Diese Kunst ist von ihm selbst gemacht oder angeregt oder im Gespräch entwickelt worden. Und sie hatte immer ein Ziel: Menschenmassen zu erreichen. Staeck glaubt an die Macht der Veränderung durch Kunst.

380 Plakate, 41 Gerichtsprozesse

Staeck hat 380 Plakate gemacht, erlebte deshalb 41 Prozesse, seine Schulden häuften sich bis auf 250. 000 Mark an. „Das muss man durchhalten“, verkürzt er. Die Ausstellung jetzt sei „ein Statement für mein ganzes politisches und künstlerisches Leben“. Neben seinen eigenen Werken gibt es 40 Objekte von Joseph Beuys, weitere von Christo, Rebecca Horn, Yoko Ono, Sigmar Polke, Neo Rauch, Gerhard Richter. Grafiken, Fotos, Dokumente, Plakate, Videos und Multiples. Insgesamt sind Arbeiten von 150 Künstlern zu sehen, die Staeck in sein Kunst-für-alle-Konzept eingebunden hatte.

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Das ging so: Staeck bat 1969 Christo, das Amerika-Haus in Heidelberg zu verhüllen. Er verhandelte mit Behörden und der Feuerwehr, besorgte bei der BASF die weißen Gitterfolienbahnen und stieg mit dem aus den USA Angereisten aufs Dach. „Schieferdach ohne Latten, völlig zertreten, gefährlich“, erzählt er. „Christo hatte keine Ahnung, was zu tun war, er stieg herunter und verpackte lieber die Büsche vorm Haus.“ Im Studentenwohnheim fand man einen Bergsteiger, der die Folien befestigte und über die Fassade rollte. Vier Tage lang ging das gut, dann war Staeck wegen der Kosten pleite. Aber das Spektakel war für ihn der Durchbruch.

Sturm und Drang der 60er-Jahre

Klaus Staeck wurde 1938 in Sachsen geboren, zur Schule ging er in Bitterfeld und geriet mit dem Regime über Kreuz. Nach dem Abitur flüchtete er 1956 in den Westen, studierte Jura in Heidelberg und wollte Künstler werden. „Ich war der festen Überzeugung, dass die Welt auf mich wartet“, hat er einmal gesagt. Die 1960er-Jahre waren seine Sturm-und-Drang-Periode, im eigenen Verlag, der Edition Tangente, später Edition Staeck, wurde Pop Art, Konzeptkunst, Informel und Minimal Art produziert. Dazu Postkarten und die Vervielfältigung von Originalen, Multiples genannt. Für seine Plakate ließ sich Staeck so viel Zeit, bis er sie für gelungen hielt. Unvergesslich, wie er unter Dürers Bild seiner verhärmten Mutter schrieb: „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ Für sein bestes Plakat hält er aber die südländische Villa mit der Aufschrift „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“. Stets ging es darum, Kunst aus dem bürgerlichen Getto zu treiben, viele Menschen zu erreichen, Prozesse in Gang zu bringen.

Laut Hermann Parzinger, Präsident der Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist ihm das gelungen. Seine Plakatkunst sei „zeitlos und Teil unseres kollektiven Bildgedächtnisses. Damit hat Staeck Kunstgeschichte geschrieben.“ Ihm imponiere aber auch „seine Fähigkeit zur Selbstironie, verbunden mit einem sturen Pragmatismus und dem Kampf im öffentlichen Raum“.