Essen. . „Wir kleinen politischen Subjekte“: Der Essener Kurator Florian Ebner will bei der Biennale in Venedig mit Künstlern Fragen der Teilhabe diskutieren.

Am kommenden Samstag wird die 56. Internationale Kunst-Biennale von Venedig eröffnet. Während Biennale-Chef Okwui Enwezor die zentrale Ausstellung“ „All the world’s future“ mit 136 Künstlern dirigiert, wird die Ausstellung im deutschen Pavillon kuratiert von Florian Ebner (44), dem Chef der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang. Martina Schürmann sprach mit ihm über den Stand der Dinge.

Herr Ebner, der deutsche Pavillon wird in diesem Jahr nicht von einem Akteur wie 2011 von Christoph Schlingensief dominiert, sondern von einer Künstlergruppe bespielt. Was ist die Grundidee?

Florian Ebner: Der deutsche Pavillon ist nicht einfach zu bespielen, schon seiner Größe wegen. Seit den 70ern haben Künstler immer wieder versucht, gegen die Geschichte und die monumentale Architektur anzuarbeiten, von Beuys bis Haacke. Aber man entkommt diesem Gebäude nicht. Den von mir eingeladenen Künstlern, geht es nicht so sehr darum, die historischen Fragen zu diskutieren und die Schuldhaftigkeit der Architektur. Wir wollen versuchen, das Gebäude, das sich doch sehr sakral gibt, vom Kopf auf die Beine zu stellen und produktiv zu profanieren. Hierfür haben wir den Begriff der „Fabrik“ gewählt.

Wodurch zeichnet sich dieser Fabrik-Gedanke aus?

Wir werden das Gebäude sowohl horizontal als auch vertikal bespielen, also richtige Arbeitsetagen einziehen. Das Material dafür haben wir übrigens recycelt: Die Stahlträger unserer „Fabrik“ stammen aus dem Kanzlerbungalow, der 2014 auf der Architektur-Biennale in Venedig gezeigt wurde. Das ist ein bislang ziemlich einmaliger, aber ungemein kostensparender Vorgang. Die Künstler präsentieren sich vom Dach des Hauses, auf dem der Bildhauer Olaf Nicolai eine funktionierende Werkstatt installiert hat, bis in den Untergrund. Im Erdgeschoss wird sich Tobias Zielony nicht nur fotografisch mit dem Thema Flüchtlinge beschäftigen, sondern die Betroffenen auch zu Wort kommen lassen und die Diskussionen in den Heimatländern abbilden. Während Hito Steyerl mit ihrer „Factory of the Sun“ in Form eines Computerspiels auf politische, poetische und ironische Weise zeigt, wie wir kleinen politischen Subjekte nur noch Figuren in einem großen, global vernetzten Spiel sind. Alle Arbeiten beschäftigen sich auf unterschiedliche Weise mit dem Thema Teilhabe.

Wenn der Chef einer der bedeutendsten fotografischen Sammlungen des Landes kuratiert, erwarten viele nur Fotos.

Der deutsche Pavillon ist von der Form her denkbar ungünstig für Fotografie. Aber wir leben in einer Zeit, in der so vieles passiert im Umgang mit Bildern. Deshalb fand ich es spannend, Bilder nicht nur eines bedeutenden Fotografen auszustellen. Es geht vielmehr darum zu zeigen, wie viele soziale Gebrauchsweisen dieses nach der Digitalisierung eigentlich schon totgesagte Medium erfüllt. Es gibt die Seite der Zeugenschaft und des Missbrauchs, beides wollen wir zeigen.

Fünf Künstler und vier Werke, wie wird daraus denn eine Art „deutscher Geist“? Gibt es den überhaupt?

Mit der Idee der nationalen Repräsentanz haben ja viele Kuratoren gehadert, zuletzt haben Deutschland und Frankreich sogar die Pavillons getauscht. Ich wollte schon etwas zeigen, was mit dem Begriff Germania zu tun hat, der auf dem Pavillon steht. Wir können nicht für Deutschland sprechen, aber wir zeigen vielleicht künstlerische Sichtweisen, die für Deutschland sprechen. Unsere Fragestellung lautet: Was haben wir mit dem zu tun, was da gerade draußen in der Welt passiert? Auch die Arbeit von Jasmina Tewaly und Philip Rizk, die in Kairo entstanden ist, konfrontiert uns mit den Scherben unseres westlichen Wirtschaftsmodells.

Die Biennale von Venedig ist auch ein künstlerischer Wettbewerb der Nationen, 2011 hat Deutschland zuletzt den Goldenen Löwen gewonnen. Wissen Sie, was die Konkurrenz zu bieten hat?

Ich habe schon einige Favoriten, darunter den französischen Pavillon mit den wandernden Bäumen von Céleste Boursier-Mougenot. Aber das sind am Ende doch immer überraschende Entscheidungen, wer den Goldenen Löwen bekommt.