Berlin. Zweimal war die Kunstexpertin Susanne Gaensheimer für die Gestaltung des deutschen Biennale-Pavillons zuständig. Mit Florian Ebner gibt jetzt erstmals ein Fotomann Deutschlands Visitenkarte ab.

Der Deutsche Pavillon in Venedig war schon vieles - eine Straßenbahnhaltestelle, eine U-Bahn-Station und eine Kathedrale gegen die Angst. Der diesjährige Kurator Florian Ebner macht sie zu einer "imaginären Fabrik". Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagt der 44-jährige Fotokunst-Experte, was er damit meint. Und versichert, man brauche kein Proseminar, um die Kunst zu verstehen.

Was heiß "imaginäre Fabrik"?

Florian Ebner: Eine Fabrik ist ja normalerweise ein Ort der Warenproduktion. Unsere Fabrik ist ein Ort der Bilder, aber nicht der Produktion von Bildern, sondern ein Ort produzierender Bilder. Das heißt, sie wollen die Wirklichkeit nicht mehr nur abbilden, sondern auch selbst produzieren - die Wirklichkeit verändern, auf sie Einfluss nehmen. Auch in den Arbeiten, die wir zeigen, geht es um das Thema Ökonomie und Arbeit, in zwei Fällen wirklich um eine Fabrik. Und vor allem ist der Pavillon ein Ort, der uns heute dieses Zirkulieren von Menschen, Bildern und Waren auch anders denken lässt.

Auch interessant

Was hat Sie bei der Auswahl der Künstler bewogen?

Ebner: Das war ein Prozess, eine Art Dreieck. Am Anfang stand die Frage, was der deutsche Pavillon in einer digitalen und vernetzten Welt sein kann. Was sind Bilder heute? Was sind ihre Aufgaben, ihre Funktionen? Auf der anderen Seite stand dieses große, hohe Gebäude. Und der dritte Teil waren dann Künstler, die ich zur Zeit spannend finde und die sowohl Antworten auf die Frage der Bilder als auch auf das Gebäude geben konnten. Wir haben also in der Tat nicht diesen einen großen auktorialen Erzähler, der alles in einem einzigen Werk weiß, sondern es ist ein Zusammenspiel von vier unterschiedlichen Positionen.

Im Sinne eines Gesamtkunstwerks - oder steht jedes für sich?

Ebner: Das ist genau der Versuch - etwas zu machen, was zusammenklingt, aber doch sein eigenes ist. In dem Sinne geht es nicht um einen Themenpavillon über die digitale Welt, sondern es sind vier unterschiedliche Arbeiten zu sehen, zwischen denen es Echos gibt, Resonanzen, gemeinsame Achsen. Die Arbeiten geben sich in gewisser Weise gegenseitig etwas und machen gemeinsam aus diesem Pavillon etwas Neues, aber nicht so, dass sie zwanghaft die gleiche formale Sprache sprechen oder es inhaltlich um das gleiche geht.

Warum haben Sie auch ein nicht-deutsches Künstlerpaar gewählt?

Ebner: Ich habe in der Auswahl nicht zwanghaft darauf geschaut, aus welchem Land die Künstler kommen, sondern welche Arbeit sie machen. Und dieses junge Künstlerduo aus Ägypten fand ich spannend mit Blick auf das Thema Teilhabe. Zum Dreiklang der anderen in Berlin lebenden Künstler war das für mich eine sehr schöne Erweiterung. Angesichts zunehmender Krisen und kriegerischer Auseinandersetzungen ist es auch ein Pavillon, der auch auf die Zeit schaut und auf die Welt, in der wir leben.

Auch interessant

Mit Ihnen kuratiert erstmals ein ausgewiesener Fotoexperte die Ausstellung ...

Ebner: Ich hab' natürlich auch versucht zu interpretieren, warum man mich da gefragt hat. Die Fotografie hatte ja schon immer einen Stellenwert im deutschen Pavillon, etwa mit Hilla Becher, Thomas Ruff, Candida Höfer, Katharina Sieverding und letztes Mal mit Santu Mofokeng und Dayanita Singh, also: Das Medium ist längst angekommen. Ich habe es eher so verstanden, dass man vielleicht mit der Fotografie die Bildkultur nochmal anders denkt und die Frage stellt, wie reagieren eigentlich Künstler darauf.

Spielt die NS-Vergangenheit des Pavillons eine Rolle?

Ebner: Das Entspannte für unsere Generation ist: Es haben schon so viele Arbeiten Bezug darauf genommen und es gab all diese Diskussionen, so dass man nicht immer nach der deutschen Geschichte graben muss. Gleichzeitig entkommt man diesem Gebäude und seiner Aufladung nicht. Es war ja schon mit seiner schieren Höhe immer gedacht als ein Ehrfurcht einflößendes Gebäude. Wir haben versucht, damit produktiv umzugehen und diese Höhe zu nutzen. Das Spannende an den Länderpavillons ist, sie immer wieder neu zu deuten.

Hatten Sie genug Geld?

Ebner: Das ist immer eine Herausforderung, aber es war etwa der gleiche Betrag wie in den letzten Jahren. Allerdings war unser Umbau im Pavillon nur möglich, weil wir das nachgebaute Kanzleramt von der Architekturbiennale im vergangenen Jahr recycelt haben. Das Kanzleramt bildet also jetzt den Grundstock für unsere Fabrik.

Muss man was über Kunst wissen, um die Ausstellung zu verstehen?

Ebner: Ich glaube, dass alle Arbeiten hier eine sehr starke sinnliche Form haben. Man muss kein Proseminar besucht haben, um zu verstehen, was in diesen Arbeiten vor sich geht. Aber es gibt natürlich auch Momente, wo man sich sehr stark auseinandersetzen muss. Es ist eine Kunst, die erfahrbar und verständlich ist, aber es ist auch eine Kunst, die man nicht einfach nur konsumieren kann. (dpa)