Essen. . Ist es Salz oder Zucker in Tiefkühlpizzas und Dosensuppen, was Herzleiden befördert? Forscher sind sich uneinig, sicher gehen kann man trotzdem.

Möglichst selten Fertiggerichte zu essen, ist aus medizinischer Sicht nach wie vor eine gute Marschroute. Doch einer aktuellen Studie zufolge gibt es dafür einen neuen Grund. Denn weniger das in Tiefkühlpizza oder Dosensuppen enthaltene Salz sei riskant als Verursacher von Bluthochdruck. Gefährlich seien vielmehr die in Fertigkost versteckten Zuckerzusätze, urteilten der Pharmakologe James DiNicolantonio und Ernährungsmediziner Sean Lucan in einem Aufsatz für das Online-Fachblatt „OpenHeart“.

Bedenklich erscheint den US-Amerikanern vor allem zugesetzter Fruchtzucker (Fruktose). Früchte oder Gemüse enthalten zwar von Natur aus auch Fruchtzucker, dieser sei aber höchstwahrscheinlich unbedenklich, fördere gar die Gesundheit. Dazu müsse er allerdings als Bestandteil der jeweiligen Nahrungspflanze verspeist werden, also zusammen mit Ballast- und anderen natürlichen Inhaltsstoffen.

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Statt zugesetzten Fruchtzucker zu reduzieren, wird vielen Patienten mit hohem Bluthochdruck allerdings geraten, bei ihrer Ernährung besonders auf Kochsalz (Natriumchlorid) zu achten. Krankheiten wie Herzinsuffizienz oder die koronare Herzerkrankung gehören zu den häufigsten Zivilisationsleiden und Todesursachen in westlichen Industrieländern. Doch ist es wirklich der geringe Kochsalz-Verbrauch, der Betroffene vor Herzinfarkten und Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems bewahrt?

Die Wirkung von salzarmer Diät

Die Autoren der neuen Studie haben Zweifel. Ihrer Ansicht nach werden vor allem „die falschen weißen Kristalle“, nämlich Salz statt Zucker, dafür verantwortlich gemacht, Herzkreislaufleiden zu begünstigen. Ratschläge an Patienten oder generell an Verbraucher, ihren Salzkonsum zu drosseln, sind laut der US-Forscher deshalb zu überdenken. Der mögliche Nutzen eines geringeren Kochsalzverzehrs sei „fragwürdig“ – schon deshalb, weil die durchschnittlich mögliche Blutdrucksenkung durch eine salzarme Diät „relativ gering“ sei.

Nach Ansicht der beiden Wissenschaftler könnten Fruktose und andere Zuckertypen „viel entscheidender mit einem erhöhten Blutdruck verbunden sein als Natrium“, jene Kochsalz-Komponente, die den Blutdruck steigert. Heikel erscheint ihnen vor allem die mit Fruktose angereicherte Maisstärke, welche in industriell gefertigten Speisen und Getränken in großen Mengen zum Süßen eingesetzt wird.

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Wer täglich mehr als 74 Gramm Fruktose zu sich nehme, habe ein um 30 Prozent erhöhtes Risiko, Blutdruckwerte jenseits der wichtigen Schwelle von 140/90 aufzuweisen und sogar ein um 77 Prozent höheres Risiko, dass wiederholt Werte über 160/100 gemessen werden. Fruktose verschlechtere auch die Blutfettwerte und fördere die Insulin-Resistenz von Körperzellen. Mit Hilfe des Hormons Insulin kann das Fettgewebe den im Blut gelösten Zucker aufnehmen und speichern. Durch übermäßigen Fruktose-Verzehr könne der Blutzuckerspiegel nicht mehr ausreichend durch Insulin abgebaut werden. Dabei wirke Fruktose sogar viel stärker als der übliche Haushaltszucker (Saccharose).

Zudem erkennen die US-Forscher Hinweise darauf, dass eine zu kochsalzarme Kost bei Diabetikern und anderen Risikogruppen zu vermehrten Todesfällen durch Herz-Kreislauf-Leiden führe. Und schließlich könne ein Natriumkonsum von drei bis sechs Gramm pro Tag (entsprechend 7,6 bis 15 Gramm Kochsalz) sehr nützlich sein, um vor Herzproblemen zu schützen. Für manche Menschen kann es laut DiNicolantonio und Lucan deshalb übel enden, wenn sie dauerhaft weniger Salz konsumieren.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt hingegen (statt der für viele Leute inzwischen üblichen neun bis zwölf Gramm Kochsalz) täglich nicht mehr als fünf bis sechs Gramm über die Nahrung aufzunehmen – inklusive des Salzes in Fertiggerichten. Diese Menge entspricht etwas mehr als einem gestrichenen Teelöffel.

Eine ausgewogene Ernährung zählt

Doch was gilt nun: Ist Kochsalz oder doch eher Fruktose in Fertignahrung und gesüßten Getränken ein ernstes Gesundheitsrisiko? Heribert Schunkert, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum München, hat ein Problem mit den Schlussfolgerungen im „Positionspapier“ der beiden US-Forscher und will einen bedenklichen Kochsalzverzehr als Auslöser von Herz-Kreislauf-Leiden von niemandem kleinreden lassen.

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Im New England Journal of Medicine, einem „renommierten“ Fachblatt, „wurden in diesem Jahr in einer Serie von Arbeiten die schädlichen Folgen eines zu hohen Salzkonsums beleuchtet“, wendet das Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie ein. Daran ändere der Aufsatz in seinen Augen nichts. Ohnehin gehe es „nicht um die Frage, was schlimmer ist: die Pest oder die Cholera, also Salz oder Fruktose, sondern, darum, wie wir zu einer ausgewogenen Ernährung gelangen“.

Den sichersten Weg geht man also, wenn man selber kocht, da man so die beste Kontrolle über die Salzmengen hat – und gleichzeitig vor zugesetzter Fruktose gehütet ist. Im Übrigen ist der Konsum von Industriezucker -- gleich welcher Art – oft leicht zu senken, indem man statt gesüßter Getränke viel Wasser trinkt. In Deutschland ist das in der Regel unbedenkliche Leitungswasser für etwa 0,4 bis 0,6 Cent je Liter zu haben. Dagegen kommt selbst Billigwasser aus dem Getränkemarkt nicht an. Und schleppen muss man das Nass aus dem Hahn ebenfalls nicht – obwohl das optimal zum Verbrennen von zu viel Zucker im Blut wäre.