Bochum. . Das Museum Situation Kunst in Bochum-Weitmar präsentiert den Relief-Künstler Jan Schoonhoven von einer anderen Seite: als Zeichner.

Jan J. Schoonhoven (1914-1994) gehörte zu den markantesten Existenzen der Kunstgeschichte. Es gibt nicht so viele Zeichner und Bildhauer, die im Hauptberuf einen Dienst als Postbeamter versehen haben, wie Schoonhoven („S-chounhoufen“) das von 1946 bis 1979 in Den Haag tat. Doch was er schuf, hat mit Hobby höchstens die Besessenheit gemeinsam, mit der er an seinen großen Informel-Werke arbeitete. In vielen deutsche Kunstsammlungen wie dem Essener Museum Folkwang oder dem DKM in Duisburg markieren Schoonhovens oft weiße Relief-Bilder, die ab den 60er-Jahren entstanden, den Übergang zwischen Wandbild und Skulptur.

Auch die Bochumer Situation Kunst hat einige dieser Reliefs (seit 1990) in ihrer ständigen Ausstellung – und nun ist der niederländisch Künstler, der hierzulande vor allem in Kontakt mit der deutschen Zero-Gruppe um Heinz Mack, Günther Uecker und Otto Piene bekannt wurde, nebenan, im Kubus des Schlossparks von Weitmar, von einer anderen Seite zu entdecken: als Zeichner.

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Von Sven Westernströer

Zwischen filigran und massiv

Während Schoonhovens Reliefs vor allem paarweise funktionieren und etwa veranschaulichen, dass der Unterschied zwischen filigran und massiv oft nur in wenigen Millimetern liegt, punkten seine Zeichnungen eher als Solisten. Da sind die Gouachen seiner frühen Jahre, in denen die Hand des Künstlers scheinbar ungebändigt, tachistisch wie Jackson Pollock durchs Bild fegt. 1941 noch zeichnete der als Kunstlehrer ausgebildete Schoonhoven ganz naturalistisch die Ruinen eines Kriegsangriffs auf Rotterdam, vier Jahre später schuf der Mann, den die Nazis verhaftet und ins KZ deportiert hatten, noch in spätestexpressionistischer Manier einen malerischen Jubel der Erleichterung und Lebensfreude mit dem Titel „Befreiung“ – auf rohen Karton, bis ins Material ein Spiegel der Zeit.

Wenig später ging er sichtlich bei Paul Klee in die Schule, bevor sich dann im Laufe der 50er-Jahre ein eigener Stil herausschälte – und am Ende des Jahrzehnts ist Schoonhoven in der radikalen Abstraktion angekommen, hinter der wie auf der titellosen Gouache von 1959 nur so gerade eben noch eine sturmdurchtoste Landschaft aufschimmert.

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Kalligrafie-Übungen

Die seriellen Tusche-Zeichnungen, die darauf folgen, lesen sich wie Vorarbeiten und architektonische Skizzen zu den Reliefs: Da vereinigen, verdichten sich tausende von winzigen Quadraten und Ovalen zu fast schon stofflichen Mustern und Schraffuren. Da ist eine beinahe schon erschreckende Kleinteiligkeit, die sich eben nicht auflöst zu einem sinntragenden Großenganzen, sondern eher das monotone Nebeneinander der vielen Ähnlichen widerspiegelt.

Solche Muster führt Schoonhoven dann in den 80er-Jahren ad absurdum, indem er sie auflöst zu Strichlandschaften wie von Gefangenen, die jeden abgesessenen Tag abstreichen – oder mit dicken Tuschestrichen übermalt, die an fernöstliche Kalligrafie-Übungen erinnern. Und dann schleicht sich sogar noch einmal Gegenständlichkeit in seine Zeichnungen, es sind Impressionen von der Straße, aus Kathe­dralen, mit scheinbar einstürzenden Wänden und einem extraklugen, wohlkalkulierten Farb-Einsatz, der im Oeuvre des Niederländers fast schon wie eine kleine Sensation anmutet. In Bochum hat man dieses Lebenswerk allemal sehr anschaulich und variationsreich vor Augen.