Nürnberg. Das Entsetzen über den Anschlag auf “Charlie Hebdo“ ist spürbar. Dennoch sind sich die Beteiligten des Deutschen Kabarett-Preises einig: Die Waffe des Satirikers ist neben der Zeichnung auch das Wort. Und das wollen sich die Preisträger nicht verbieten lassen.
"Satire ist doch, wenn die Mörder von Journalisten in einer Druckerei enden." Der Satz von Simone Solga sitzt. Und die Preisträgerin des Deutschen Kabarett-Preises setzt gleich noch einen drauf. "Was müsste das für ein mieser Prophet sein, wenn er solche Würstchen braucht, um den Islam zu rächen?" Selbstverständlich sind die Terroranschläge auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" und auf einen jüdischen Supermarkt in Paris ein Thema am Samstagabend, als in Nürnberg der Deutsche Kabarett-Preis 2014 verliehen wird. Der Tenor lautet kurz gefasst: Jetzt erst recht.
Vorjahrespreisträger Andreas Thiel, der durch das Programm führt, greift zum Spott, als er sich den Attentätern von Paris zuwendet. "Jetzt, wo sie tot sind, werden sie auch merken, dass nicht das Paradies auf sie wartet." In seinem Heimatland Schweiz werde schon seit geraumer Zeit diskutiert, wo die Grenzen der Satire seien. Thiel, der stets mit einem knallpinken Irokesen zum edlen Anzug auftritt, beantwortet diese Frage gewohnt lakonisch: "Ein Satiriker sollte niemanden umbringen."
"Satire ist frei" - trotz #CharlieHebdo
Mit seiner ganz eigenen Art, die weniger auf laute Lacher abzielt als den Finger in die Wunde legt, beschäftigt sich Thiel an diesem Abend am intensivsten mit dem Islamismus und seinen Folgen. Für seine Nachfolgerin Simone Solga ist mit wenigen Sätzen alles Entscheidende gesagt: "Satire ist frei. So muss es auch bleiben."
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Deshalb präsentiert die 51-Jährige wie geplant Auszüge aus ihrem aktuellen Programm, in dem sie als "Kanzlersouffleuse" nicht nur Angela Merkel berät und aus dem Nähkästchen plaudert, sondern nebenbei auch noch den kompletten Berliner Politikbetrieb zerlegt.
Grüne seien "Energiesparlampen der ersten Generation"
Ihr charmant-harmloses Auftreten kontrastiert dabei mit den Spitzen, die sie austeilt. Die sind nicht ohne, statt zum filigranen Florett greift Solga auch gerne mal zur Axt. Dabei kommen weder Parteien noch Politiker ungetroffen davon. "Die Grünen sind von ihren Grundsätzen so weit entfernt wie die katholische Kirche von der Bergpredigt", konstatiert Solga und meckert: "Das Schlimmste an dieser Opposition ist ihre Erfolglosigkeit trotz dieses Gegners. Es ist ja nicht so, dass das alles Leuchten wären - eher Energiesparlampen der ersten Generation."
Entsprechend schlecht kommt auch das Regierungspersonal bei Solga weg. "Wenn sich alle Windkrafträder in Deutschland so effizient mit dem Wind drehen würden wie (Energieminister) Sigmar Gabriel, wäre der Strom billiger." Auch Kanzlerin Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck bekommen ihr Fett ab. In atemberaubendem Tempo geht Solga immer neue politische und gesellschaftliche Themen durch, ätzt und spottet sich von der Maut bis zum Ecclestone-Deal.
"Das ist ganz subversiv!"
Gesellschaftskritisch präsentiert sich auch Förderpreisträger Till Reiners. Der 29-Jährige demaskiert die "Bessermenschen", die - moralisch stets hyperkorrekt - anderen ungefragt vorgeblich gut gemeinte Ratschläge erteilen, aber selbst in Widersprüchen leben. Und die im Zweifel zwar lange diskutieren, wie man die Welt verbessern könnte, am Ende aber lieber gar nichts tun - "sicher ist sicher. Aber wir haben es ironisch bleiben gelassen. Das ist ganz subversiv!"
Einen völlig anderen Ton stimmt "Die bekannte Band Zärtlichkeiten mit Freunden" an. Von der Jury angekündigt als Spezialisten für gehobenen Nonsense, schlagen die Sonderpreisträger Stefan Schramm und Christoph Walther dennoch innerhalb weniger Sätze einen politischen Bogen von Pegida über unmoralische Investments der Deutschen Bank bis hin zur Berliner Koalition, die den Willen ihre Wähler ignoriere. Dabei stellen sie - vermeintlich naiv - auch das "Christlich" im Pateinamen von CDU und CSU infrage. "Nagel mich nicht fest, aber ich vermute, Jesus Christus war nicht der drittgrößte Waffenexporteur der Welt." (dpa)