Essen. . Hunderttausende gehen am Sonntag in Paris auf die Straße. Das ist ein wichtiges Zeichen des Zusammenhalts – und der Hilflosigkeit. Ein Kommentar.

Die freie Welt bekennt: "Ich bin Charlie". Die Welle der Solidarität, die die Franzosen in diesen Tagen nach dem Anschlag auf die Zeitschrift "Charlie Hebdo" erfahren, ist riesig. Der auf den Terror-Akt folgende 50-stündige Albtraum, an dessen Ende über 20 Tote standen, hat nicht nur Frankreich ins Mark getroffen, sondern den gesamten Westen alarmiert. Der islamistische Terror fordert die freie Welt heraus.

Sonntagnachmittag laufen zahlreiche Regierungschefs an der Seite des französischen Staatspräsidenten Francois Hollande, als in Paris Hunderttausende zum Solidaritätsmarsch aufbrechen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ebenso dabei wie David Cameron aus London, Matteo Renzi aus Rom, der Spanier Mariano Rajoy und andere europäische Ministerpräsidenten. Zugesagt haben auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, Russlands Außenminister Sergej Lawrow sowie der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.

Hochrangig besetzte Kundgebung als wichtiges Signal

Die so hochrangig besetzte Kundgebung ist ein wichtiges Signal gegen den internationalen Terror. Aber sie ist auch ein Zeichen der Hilflosigkeit der Politik und der Sicherheitsbehörden gegenüber einer immer weniger berechenbaren islamistischen Gewalt.

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Gerade der Anschlag von Paris hat gezeigt: Geheimdienste und Polizei haben dem Phänomen fanatisierter und höchst gewaltbereiter junger Islamisten nicht genug entgegenzusetzen. Während die Terror-Organisationen - auch das zeigen die beiden parallelen Geiselnahmen in Frankreich - inzwischen ihrer Taten koordinieren, funktioniert die internationale Zusammenarbeit der Ermittler offenbar nicht reibungslos. Die beiden Attentäter etwa, die beim Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" zwölf Menschen töteten, standen schon länger auf einer Terror-Liste der US-Behörden - die französischen Dienste hatten sie trotzdem nicht groß genug auf dem Radarschirm. Der Pariser Regierungschef Manuel Valls musste bereits Versäumnisse seiner Behörden einräumen.

Politische Strategie gegen Islamismus von Hilflosigkeit geprägt

Auch die politische Strategie gegen den Islamismus ist weitgehend von Hilflosigkeit geprägt. Forderungen wie der Entzug des Reisepasses für verdächtige Dschihadisten oder die Einführung der Vorratsdatenspeicherung wirken eher wie Alibihandlungen. So lange Länder wie Syrien, Irak oder Afghanistan den Terroristen eine Basis für ihre Gewalt bieten, ist den Tätern kaum beizukommen. Aber alle Versuche, nach dem 11. September 2001 diese Staaten entweder einzubinden oder den Terror-Unterstützern entschieden entgegenzutreten, haben bisher nicht viel gefruchtet. Der Terror geht weiter.

Der Schulterschluss der Regierenden, den die Bilder von Paris transportieren sollen, ist deshalb zwar ein wichtiges Zeichen des Zusammenhalts. Um allerdings dem Terror nicht nur geschlossen, sondern auch entschlossen und vor allem wirksam entgegenzutreten, wird dies nicht reichen. Europa und die USA brauchen eine koordinierte und effiziente, gemeinsame Strategie gegen den islamistischen Terror. Sonst bleibt nur das hilflose Warten auf den nächsten Anschlag.