Düsseldorf. . Kein Nil, keine Pyramiden - das Ägyptische ist nur schickes Dekor für den großbürgerlichen Salon des 19.Jahrhunderts. So etwa sieht es in der Neuinszenierung der „Aida“ der Deutschen Oper am Rhein aus. Die Deutung ist nicht ohne Schwächen, manches wirkt stark konstruiert. Am Freitag war Premiere.

Treue Opernbesucher, so sie Verdi nicht gerade in Fußball- und anderen Arenen lauschen, haben sich längst daran gewöhnt, dass ihre holde Aida kaum noch am Nil zu siedeln pflegt. Ein Tabubruch dieser Sorte hat inzwischen fast Rentenansprüche: Hans Neuenfels ließ die äthiopische Königstochter und Sklavin der Ägypter 1981 als Putzfrau agieren. Da ist also die Rheinoper, wie Freitag zu sehen war, fast ein Traditionswahrer. Es bleibt beim Minijob: Am Rhein reicht Aida der Herrschaft den Aperitif.

Aida tut es im gestärkten Servierschürzchen, ein weißes Häubchen ziert die gebändigten schwarzen Locken. Im Salon mit Palmen und Polstergestühl schaut sie freilich aus wie die „Fledermaus“-Adele, aber s’ist Krieg und also nichts zu lachen. Regisseur Philipp Himmelmann überträgt Verdis Wunderwerk, mit dem der Meister sich umso mehr plagte, als er es einerseits stets kunstgewerblich gefährdet sah, es andererseits sensationell bezahlt war, auf die Zeit seiner Entstehung.

Es grundieren also Scharmützel von 1870/71 die bekannte Dreiecksgeschichte: Radames, Feldherr, könnte ein schönes Leben haben. Eine Pharaonentochter ist ihm geneigt. Aber welcher Tenor liebt bei Verdi schon die Mezzosopranistin? Amneris, reich und bös, geht leer aus, Aida hat es nicht besser: geliebt, aber am Ende so tot wie ihr angebeteter Hauptmann.

Schere zwischen Bild und Text

Der dramatische Funken, den Himmelmann aus dieser fatalen Anordnung schlägt, ist nicht durchweg hell. Im Gegenteil: Die Prachtausstattung ist streckenweise in Kostüm (Gesine Völlm) und Bühne (Johannes Leiacker) derart verschwenderisches 19. Jahrhundert, dass ihr Anspielungshorizont zum Bumerang wird. Gewiss: Der 1870er Krieg war seinerzeit Schuld daran, dass die Kairorer Uraufführungskostüme Europa nicht verlassen konnten. An der Schere zwischen Bild und Text ändert das in Düsseldorf wenig. Dass katholische Kardinäle von ägyptischen Gottheiten singen, mag verstehen, wer will. Himmelmann sieht den Orient in kolonialbesessener Zeit zum Dekor degradiert – doch allzu dekorativ sind seine Szenen selbst.

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So wird optischer Reiz in dieser aufwendigen Neuinszenierung nicht Medium der Vertiefung sondern der Verharmlosung. Selbst die Särge, in denen die Opfer des Krieges aufgefahren werden, glänzen edel, sind in Linie gereiht.

Später wird der anfängliche Glanz gebrochen

Später wird mit steigender Tragödie solcher Oberflächenglanz gebrochen. Da sind die Särge ungeordnet, dann doch wie an Ufern des Nils gestrandet. Ausgerechnet in jenen Szenen, in denen alles attraktive Accessoire diese Inszenierung verlässt, hat der Abend Stärken. Wie Amneris allein mit einem Stuhl von der Niederlage rächender Triumphe singt, ist Hochspannungsoper. Susan MacLean leistet in dieser Rolle Außergewöhnliches. Da fällt die mitunter flackernd-scharfe Höhe nicht ins Gewicht. Was für eine Menschenbildnerin, welche hinreißend glutvoll timbrierte Mittellage – und im Duell mit der Titelheldin ein „Faraoni“-Ruf mit Gänsehautpotenzial!

Spielerisch steht ihr Morenikes Fadayomis Aida nie nach, doch ist die Stimme gefährdet, manches klingt trocken, rissig, die berühmte Nil-Arie hat Durststrecken. Auch Sergej Khomov (Radames) muss alle Reserven mobilisieren, hält sich aber (Pianissimo inklusive) nah an Verdi. Publikumsliebling Boris Statsenko (Amonasro) ist als glutvoller Rächer vom Dienst eine Bank. In fabelhafter Form hört man den Chor der Deutschen Oper am Rhein, vor allem die zarten Huldigungen geraten außergewöhnlich gut. Axel Kober dirigiert eine zügige „Aida“. Aus den Streichern kitzelt Kober raffinierte Details heraus, alles in allem ist das klanglich dennoch recht geschlossen erzählt.

Gut gepolsterte Welt der Mächtigen

Das Schlussbild ist stücknah, packend, bedeutungsschwer. Aufs Grab der erstickenden Liebenden wuchtet sich in Zeitlupe die gut gepolsterte Welt der einsamen Mächtigen. Die wahre Liebe: bloß ein Kollateralschaden, weil andere Menschen größere Pläne haben. Als wär’s ein Stück von heut’.

Im Dezember: 3., 7., 13. 18., 20. 28, 30. Karten: Tel. 0211-99 25 211