Wuppertal. . Die Wuppertaler Oper spielt Mozarts „Don Giovanni“ als Komödie auf der Rampe. Die Inszenierung ist gefällig, so banal ist die abgründige Geschichte lange nicht interpretiert worden. Und dennoch liegt ein gewisser Zauber über der Produktion.
An Mozarts Oper „Don Giovanni“ haben sich viele große Geister abgearbeitet. Wie interpretiert man diesen dunklen Charakter, der zudem ein neues Sängerfach etabliert, den Dämonenbariton? Ist er ein Rebell gegen gesellschaftliche und religiöse Zwänge? Ein Freiheitskämpfer? Ein Psychopath? Und spielt in Wahrheit nicht Leporello, der Knecht, die Hauptrolle?
Mit solchen Kleinigkeiten wie Mord, Vergewaltigung und Klassenkampf hält sich Regisseur und Bühnenbildner Thomas Schulte-Michels in Wuppertal aber nicht auf. Für ihn ist Mozarts abgründigster Held eine komische Figur. Die Inszenierung ist gefällig, hauptsächlich dank der sympathischen jungen Sänger, aber sie ist an Banalität kaum zu überbieten. Mozart bezeichnet sein Werk zwar selbst als „Dramma giocoso“; doch das heißt erstens lediglich, dass auch bürgerliche Charaktere mitspielen dürfen und ist zweitens traditionell eine gebotene List, kritische Stoffe zu maskieren.
Orchester sitzt auf der Bühne
Ein Bühnenbild gibt es nicht. Schulte-Michels lässt die Sänger auf dem hochgefahrenen Orchestergraben agieren; die Sinfoniker in kleiner Mozartbesetzung sitzen dahinter auf einem Podest. Der Graben kann in Segmenten nach oben bewegt werden, was verschiedene Spielebenen schafft: Vertiefungen und Kanten und Stolperfallen. So entsteht eine eher konzertante Interpretation, die die Sänger ganz nah an die Rampe rückt. Das Publikum hört noch die kleinste stimmliche Schwäche.
Don Giovanni als Komödie: Das geht nicht ohne Striche in der Partitur ab. Vor allem das Finale ist heftig betroffen, werden hier doch Schuld und die Verweigerung von Reue verhandelt, alles Themen, für die kein Platz in einer Geschichte ist, die den Titelhelden als Herzbuben verniedlicht.
Dennoch liegt ein gewisser Zauber über der Produktion, der sich besonders jenen Besuchern erschließt, die den „Don Giovanni“ nicht kennen. Das liegt an der Farbmagie des Lichts und der Kostüme von Renate Schmitzer und an dem jungen Team, alle schlank, alle höchst beweglich. Ensemble mag man die Truppe nicht nennen, denn sie sind nach dem Motto heuern und feuern ausschließlich für „Don Giovanni“ verpflichtet worden. Wenn die insgesamt 12 Vorstellungen abgespielt sind, sieht man sie nie wieder. Denn Wuppertals neuer Opernintendant Toshiyuki Kamioka verzichtet auf ein eigenes Ensemble und lässt das Haus von Gästen bespielen.
Entsprechend dieser Politik sind die Wände in den Foyers und Wandelgängen von allen Erinnerungen an die berühmte Wuppertaler Ensemblekultur gesäubert worden. Dort hingen bisher die Fotos der aktuellen und ehemaligen Künstler, die dem Haus sein Gesicht und seine historische Verortung geschenkt haben. Dass große, höchst verdiente Namen wie KS Theo van Gemert oder Rena Liebenow umstandslos abgehängt werden können, mutet gruseliger an als Don Giovannis Untaten.
Entsprechend der Komödien-Vorgabe zeichnet Josef Wagner den Don Giovanni mit schmelzend schönem Bassbariton als Herzensbrecher ohne Tiefgang, der rote Rosen ins Publikum wirft. Hye-Soo Sonn ist ein beweglicher, stimmlich großartiger Leporello, der sogar das Zirkuskunststück beherrscht, von seinem Meister geworfene Weintrauben mit dem Mund aufzufangen. Tatiana Larina muss als koloratursichere Donna Anna mit überdrehtem barocken Pathos agieren; Marianne Fiset hat als Donna Elvira Feuer im Blut und in der Kehle. Emilio Pons singt den Don Ottavio mit zartestem italienischem Gold im Tenor, und Ralitsa Ralinowa ist eine kecke Zerlina.
Unglückliche Klangbalance
Die Positionierung des Orchesters auf der Bühne bekommt der musikalischen Seite der Inszenierung überhaupt nicht. Unter der Leitung von Andreas Kowalewitz klingen die Wuppertaler Sinfoniker matschig und unscharf. Das liegt entweder daran, dass der Dirigent das filigrane polyphone Motivgeflecht der Partitur nicht präzise genug zeichnen kann oder an der aufstellungsbedingten unglücklichen Klangbalance. Orchestergräben gibt es ja nicht zuletzt aus akustischen Gründen. Viele Musiker scheinen sich zudem nicht wohlzufühlen, sie spielen mit Sonnenbrille. Der „Don Giovanni“ ist die Holzbläser-Oper schlechthin, doch Flöten, Klarinetten, Oboen und Fagotte gehen unter.
Am Ende wundert es daher nicht, dass auch die Höllenfahrt nur ein Witz ist.