Berlin. Allzu viel Tiefsinniges will Herbert Grönemeyer nicht mit seinem neuen Album “Dauernd jetzt“ verbreiten. Er will das Jetzt genießen. Trotzdem mischt sich leise Melancholie in das Gutgehen. Grönemeyers Texte sind immer noch wie ein Lyrikbändchen für nachdenkliche Deutsche.
Frisch sieht er aus und gut gelaunt ist er: „Ich will das Jetzt genießen“, sagt Herbert Grönemeyer und hat überhaupt keine Lust, allzu viel Tiefsinniges über sein neues Album zu verbreiten. Die Leute, sagt er, sollten doch bitteschön bei den Liedtexten nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. „Manchmal ist da einfach nur eine Lücke – und dann muss da was hin.“
Das neue Album „Dauernd jetzt“ erscheint an diesem Freitag, es ist sein Vierzehntes. Die Single „Morgen“ ist längst raus, ein Liebeslied. Und ja: Er ist verliebt, seit zweieinhalb Jahren gibt es eine neue Frau in seinem Leben, es geht ihm gut. Doch in das Gutgehen mischt sich eine leise Melancholie. Grönemeyer denkt das Glück vom Ende her: „Wirst du immer noch bei mir liegen?“, singt er und klingt demütig: „Solange man uns beide lässt.“
Der sperrige Sound ist geblieben
Grönemeyer hat für den ersten öffentlichen Auftritt seiner neuen Lieder das Berliner Promilokal „Grill Royal“ ausgesucht – ein Luxusladen, die Berliner Kantine von Hollywoodstars wie George Clooney oder Leonardo DiCaprio. Der Schuppen heißt „Grill“, aber Currywurst gibt es hier nicht. Grönemeyers 32 Jahre alte Hommage an die Wurstbude – die jungen Kellner hier haben noch nie was davon gehört. Dabei hat sich seitdem bei Grönemeyer musikalisch zwar manches getan, der sperrige Sound ist aber immer noch derselbe: Saftig, solide und rund klingt die Musik, zerknautscht, zerquetscht und übersteuert die Stimme. Hier arbeitet ein Profi, hier versorgt einer seine Fans mit Bewährtem - Fans, von denen er viele schon über Jahrzehnte begleitet, von der Abi-Feier bis zur Ü-40-Party.
Und die Texte? Das Booklet mit den Liedtexten liest sich wie ein Lyrikbändchen für nachdenkliche Deutsche – Grönemeyer, der Empfindsame mit dem Stakkato-Stil, der Liebende, der Verunsicherte, der seit seiner berühmten Frage „Wann ist ein Mann ein Mann?“ immer wieder das Fragen dem Antworten vorgezogen hat. Aber Grönemeyer ist auch der andere, der Nationaldichter, der Hymnen über den Fußball singen kann, ohne dass sie an billigem Pathos ersticken. „Der Löw“ heißt seine Bilanz der Weltmeisterschaft – was bei den Fans in den letzten Wochen für Witze sorgte: Ob das Stück wohl geht wie das Steigerlied? Glückauf, Glückauf? Der Löw, der Löw?
„Der Löw war los“
Nee, natürlich nicht. Die Hommage an den Bundestrainer ist ein treibender, harter Lobgesang auf die Nationalelf – bloß, dass er ein Vierteljahr nach der WM ein bisschen angestaubt klingt. „Der Löw war los“, singt Grönemeyer und reimt „Sie war’n grandios“. Ursprünglich sollten sogar alle 23 Fußballer-Namen in den Liedtext, aber das war dann doch ein bisschen zu dicke. „Vielleicht sagen jetzt viele: das ist doof. Aber bei ‚Bochum’ haben auch alle gesagt, dass sei doof, das kauft schon in Bottrop keiner mehr.“ Es kam, wie man weiß, anders.
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Mitte Mai startet der 58-Jährige seine Tour. „Darauf bereite ich mich auch körperlich vor, ich will ja noch besser aussehen als heute Abend“, kokettiert er und zeigt auf sein „Ten-Pack“ über der Gürtellinie und verspricht fürs nächste Album ein Plattencover mit nacktem Herbert auf einem Eisbärenfell. Von Aufhören jedenfalls keine Spur. „Ich werde immer Musik schreiben, so wie ich immer küssen werde.“