Berlin.. Der Bundeswehr-Kritiker und Ex-Soldat Achim Wohlgethan greift in seinem „Schwarzbuch“ dieTruppe an: „Unterfinanziert, schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und mit ihren Einsätzen überfordert“ soll die Bundeswehr sein.
Die Bundeswehr ist „unterfinanziert, sie ist schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und mit ihren Einsätzen überfordert“. Dieses Fazit zieht Achim Wohlgethan in seinem soeben erschienenen „Schwarzbuch Bundeswehr“ und beschreibt zudem einen in wichtigen Teilen abgeblich inkompetenten Führungsapparat.
So habe die Bundeswehr beispielsweise „in Pleiteprojekte investiert“. Gelernt werde daraus aber kaum. Denn „uneinsichtige militärische und politische“ Entscheidungsträger hielten in Hinterzimmern der Macht an fragwürdigen Verträgen fest. Politik wie Militärführung gingen verantwortungslos mit den Soldaten um. Wenn etwas vorkäme, werde taktiert, getrickst und schöngefärbt.
Auf mehr als 280 Seiten unterfüttert Wohlgethan dieses beschämende Urteil über den Zustand der Bundeswehr mit zahllosen Beispielen, Erfahrungsberichten und Auszügen aus - zum Teil als Verschlusssache gestempelten – Dokumenten. Seine Informationen sind nicht immer auf dem jüngsten Stand. Sie beeindrucken aber durch ihre Fülle und die Tatsache, dass Kritikpunkte zum Teil seit Jahren bekannt sind - und sich trotzdem nichts grundlegend ändert. Wohlgethan nimmt konsequent die Perspektive der Soldaten ein, spitzt seine Urteile zum Teil scharf zu und bietet den Lesern trotzdem die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Fehlplanung, Verschwendung, Mängelverwaltung
Der ehemalige Fallschirmjäger führt viele bekannte Beispiele für Fehlentscheidungen in der Rüstungspolitik und die ungenügende, ungeeignete oder falsche Ausrüstung der Bundeswehr an. Etwa den Mangel an geschützten Fahrzeugen, die für die kämpfenden Soldaten im Einsatz mit am wichtigsten sind. Sie sollen Schutz vor Beschuss, Splittern und improvisierten Sprengfallen bieten. Aber seit Jahren gibt es für den Einsatz und für die Ausbildung zu wenig dieser Fahrzeuge. Dabei, so Wohlgethan, sei der Schutz wie auch die Beherrschung des Fahrzeugs schon zu Beginn des Kampfeinsatzes in Afghanistan überlebenswichtig für die Soldaten.
Anstatt jedoch schnell ausreichend gepanzerte und bewaffnete Fahrzeuge anzuschaffen, seien zum Beispiel Millionen in die Fehlentwicklung und Beschaffung des nur teilweise geschützten Einsatzfahrzeugs Mungo geflossen. Ein Fahrzeug auf Basis einer Kehrmaschine, das von Anfang an bei den Soldaten extrem unbeliebt gewesen sei, da sie wegen Platzmangel ihr Gepäck nur außen befestigen könnten. Und weil auch jeder Untrainierte es schaffen könne „eine Handgranate in den hinteren Bereich zu werfen“.
Selbst das Verteidigungsministerium habe eingeräumt, dass der Mungo für das schwierige afghanische Gelände ungeeignet sei. „Dennoch haben die Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik und Militär keine Rücksicht darauf genommen; die Verantwortlichen haben den Mungo in Afghanistan erprobt und getestet. Also ein Test im Krieg.“ Das der Mungo keinen sicheren Schutz bietet, hat sich leider bestätigt. Laut Wohlgethan seien am 20. Oktober 2008 zwei Fallschirmjäger in der Fahrerkabine des Mungo gestorben, nachdem sich ein Selbstmordattentäter auf einem Fahrrad in die Luft gesprengt hatte.
Die Bundeswehr ersetzte den Mungo zwar durch das Fahrzeug Eagle, welches aber auch nicht den nötigen Schutz biete. Warum, fragt der Autor, wurde das Geld nicht für die Anschaffung bereits auf dem Markt vorhandener und besser geschützter Fahrzeuge genutzt?
Versagen der Führung bis in die höchsten Ränge
Wohlgethan macht den Verantwortlichen heftige Vorwürfe. Bei der Ausrüstung werde nach den Interessen der Rüstungsindustrie investiert, nicht nach den Bedürfnissen der Soldaten. Deswegen würden bekannte Mängel nicht abgestellt, sondern untaugliche Projekte trotz langfristiger Verzögerung oder ungenügender Fähigkeiten fortgeführt.
Bei der Ausbildung komme es zu teils lebensgefährlichen Defiziten. Standards würden gesenkt, um Planvorgaben zu erfüllen. Viele Führungskräfte seien ausschließlich karriereorientiert, Kritik werde abgebügelt, offene Worte würden abgestraft. Verantwortliche würden ihre Inkompetenz mit überzogener Härte kompensieren. Und beim Thema Fürsorge, insbesondere bei den psychisch verletzen Soldaten, würden die Betroffenen viel zu oft im Stich gelassen.
Aber auch falsches Elitedenken, undemokratischen Riten, „Ekelrituale“, Demütigungen oder willentliche Verletzung von Kameraden bei Beförderungsfeierlichkeiten kritisiert Wohlgethan. Er sieht darin charakterliche Defizite, ein kritiklos übernommenes Weltbild von Befehl und Gehorsam, von oben und unten, das analysiert und beseitigt werden müsse.
Nach der Schilderung der jüngsten Skandale - bei der Feldpost, auf dem Schulschiff „Gorch Fock“ und bei dem tödlichen Schuss auf einen Kameraden in Afghanistan - kommt der Autor zu dem Schluss: „Täuschen, tricksen, schönfärben - dieses Verhalten durchzieht die Bundeswehr seit Jahren, man kann es inzwischen als charakteristisch für ihren Zustand beschreiben.“ Das Problem finde sich bei den unteren Dienstgraden bis in die höchsten Positionen im Ministerium.
Es müsse sich dringend etwas ändern in der Bundeswehr, eine professionalisierte Freiwilligenarmee sei da ein erster Schritt. Die Hauptforderung Wohlgethans ist, dass die Bundeswehr sowie der Umgang mit ihr offen, transparent, demokratisiert und ehrlich werden muss. Denn aktuell lautet sein Urteil: „Augenscheinlich ist die Bundeswehr nicht einsatztauglich.“ (dapd)