Berlin. . In vier deutschen Transplantationszentren sind Kontrolleure auf schwerwiegende Verstöße bei der Organvergabe gestoßen, darunter auch das Uniklinikum Münster. Das teilte die zuständige Prüfungs- und Überwachungskommission in Berlin mit. In weiteren Kliniken habe es grenzwertige Fälle gegeben.

In vier deutschen Kliniken hat es schwerwiegende Verstöße bei Lebertransplantationen gegeben. Das teilte die Prüf- und Überwachungskommission von Ärzteschaft, Krankenhäusern und Kassen bei der Vorstellung eines umfassenden Prüfberichts am Mittwoch in Berlin mit.

Neben den bereits bekannten Manipulationen an den Transplantationszentren in Göttingen, Leipzig und München habe es auch in Münster "schwerwiegende Richtlinienverstöße" gegeben. Der Verdacht gegen die Uniklinik in Regensburg bestätigte sich hingegen nicht.

Nach der Aufdeckung des Organspendeskandals im vergangenen Juli hatte die unabhängige Prüfkommission alle 24 Leberprogramme an den Transplantationszentren unter die Lupe genommen. In zahlreichen Fällen wurden Krankenakten manipuliert, so dass bestimmte Patienten in der Warteliste für ein Spenderorgan nach oben rückten und bei der Organspende bevorzugt wurden. Ein ehemaliger Transplantationsmediziner aus Göttingen muss sich deshalb derzeit vor Gericht verantworten. Infolge des Skandals brachen die Spenderzahlen in Deutschland dramatisch ein.

Uniklinikum Münster weist Vorwürfe zurück

Das Uni-Klinikum Münster (UKM) reagierte am Mittwoch umgehen auf die Vorwürfe der Prüfkommission: Es seien in Münster 25 Richtlinienverstöße festgestellt worden, untersucht im Zeitraum 2007 bis 2013, in dem am UKM 230 Lebertransplantationen durchgeführt worden seien.

"In keinem Fall wurde die medizinische Notwendigkeit für eine Transplantation von der Prüfkommission angezweifelt", erklärt der ärztliche Direktor am UKM, Prof. Norbert Roeder. Zudem handle es sich bei neun der bemängelten Richtlinienverstöße am UKM um "einzelne Fehler in Meldeformularen". Diese würden "in keinem Zusammenhang mit Versicherungsstatus, Alter oder Herkunft der Patienten" stehen, sagte Roeder. „Wir erkennen diese Verstöße an und bedauern diese Meldefehler sehr“, erklärte Roeder. In 16 Fällen jedoch "weist das UKM den Vorwurf des Richtlinienverstoßes zurück.

Im Juli 2012 kam ans Licht, dass zwei Mediziner der Göttinger Uniklinik im großen Stil Akten gefälscht und Patienten bei der Vergabe von Spenderlebern bevorzugt haben sollen. Einer der Verdächtigen soll schon von 2004 bis 2006 an der Regensburger Uniklinik vor Lebertransplantationen Krankendaten manipuliert haben. Im Herbst 2012 stellten Prüfer am Münchner Krankenhaus Rechts der Isar Auffälligkeiten bei der Organvergabe fest. Im Januar wurden Manipulationen an der Uniklinik Leipzig aufgedeckt.

Patientenschützer kritisiert Dauer der Studie

Im Juli hieß es in einem Zeitungsbericht, dass auch in Münster und Essen Unregelmäßigkeiten vorgekommen sein sollen. Die Uniklinik Essen unterhält Deutschlands größtes Lebertransplantationsprogramm. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sagte vor der Vorstellung des Berichts, dass sich wohl keine Ärzte bei Manipulationen bereichert hätten. Inzwischen trat eine Gesetzesänderung in Kraft, nach der Manipulationen mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden können.

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Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, bemängelte, dass das Erstellen des Prüfberichts für die Lebertransplantationen ein Jahr gedauert habe. "Damit wurden für die Jahre 2010 und 2011 insgesamt 2154 Lebertransplantationen geprüft", sagte er der dpa.

"In diesen zwei Jahren wurden insgesamt aber 8122 Organe transplantiert und somit auch Vermittlungsentscheidungen getroffen." Kapazitäts- und Professionalisierungsdefizite in der Kommission hemmten die nötigen Kontrollen. Gesundheitsminister Bahr müsse hauptamtliche Strukturen in staatlicher Verantwortung schaffen.

Die Zahl der Organspender sank seit vergangenem Sommer deutlich. Deutsche Kliniken meldeten zuletzt auch weniger Patienten zur Organtransplantation an. Der Ärztliche Direktor bei Eurotransplant, der Vermittlungsstelle für postmortale Organe im niederländischen Leiden, Axel Rahmel, sagte dem "Deutschen Ärzteblatt", die Zahl der auf den Wartelisten registrierten Patienten habe im ersten Halbjahr um 23 Prozent unter den entsprechenden Zahlen von 2010 und 2011 gelegen. "Es könnte sein, dass die Berichterstattung in den Medien zu negativen Entwicklungen bei der Organtransplantation mögliche Bedenken von Patienten, die ein Organ benötigen, erhöht hat." (afp/dpa/WE)