Berlin. . Nur eines von 23 neuen Präparaten hatte einen Zusatznutzen im Vergleich zu älteren Mitteln. Für Kassen und Beitragszahler ist die Entwicklung neuer Medikamente dennoch teuer. Das zeigt eine aktuelle Studie.

Ob Insulin, die ersten Antibiotika oder Chemo-Medikamente gegen Krebs: Als diese Präparate jeweils auf den Markt kamen, waren sie revolutionär für die Behandlung kranker Menschen, weil es bis dato keine vergleichbaren Mittel gab. Von medizinischen Quantensprüngen dieser Art ist die Pharmaindustrie derzeit wohl weit entfernt.

So hatte nur eines von 23 Präparaten, die 2010 und 2011 neu auf den Markt kamen, einen klaren Zusatznutzen im Vergleich zu bereits erhältlichen Mitteln. Weitere acht Medikamente brachten etwas mehr, aber nicht wirklich viel, während 14 Arzneien keinen Extraeffekt hatten.

Viele neue Mittel sind Flops

Zu diesem ernüchternden Fazit kommt der neue Innovationsreport der Techniker Krankenkasse. „Wir haben eine Innovationskrise“, meinte der Gesundheitsökonom und Leiter der Studie, Gerd Glaeske. Als einziges Präparat hat demnach das Herzmittel Brilique einen klaren Zusatznutzen erbracht, weil es im Vergleich zu anderen Tabletten das Infarktrisiko senken kann.

Obwohl sich viele der neuen Mittel als Flop erwiesen haben, sind sie für die Kassen und Beitragszahler eine kostspielige Angelegenheit. Denn drei von vier der Präparate waren laut TK teuerer als bisherige Medikamente. TK-Chef Jens Baas sprach von 145 Millionen Euro Ausgaben für die neuen Arzneimittel. Seiner Meinung nach könne man 68 Millionen Euro durch herkömmliche Medikamente einsparen – ohne Folgen für die Patienten.

Neues Gesetz zeigt Wirkung

Diese Ergebnisse unterstreichen einmal mehr den Nutzen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (Amnog), das die Koalition vor gut zwei Jahren auf den Weg gebracht hat. Bis dahin konnten die Pharmafirmen für neue Mittel im Prinzip verlangen, was sie wollten. Die Kassen mussten bezahlen. Die im TK-Report erwähnten Medikamente stammen zum Teil noch aus der Vor-Amnog-Zeit.

Denn seit das Gesetz in Kraft ist, müssen die Pharmahersteller einen Zusatznutzen ihrer neuen Präparate nachweisen, bevor sie mit den Kassen über die Erstattung verhandeln. Dazu gehören etwa verlängerte Überlebenschancen, die Verkürzung der Krankheitsdauer oder geringere Nebenwirkungen. In solchen Fällen können die Pharmaunternehmen mit großen Gewinnen rechnen. Für Präparate ohne Extranutzen hingegen bekommen sie nur den Preis vergleichbarer Medikamente.

Die Kostenbremse zeigt erste Wirkung. Nach Schätzungen des Krankenkassen-Spitzenverbandes konnten die Versicherer bislang etwa 120 Millionen Euro sparen. Der Pharmabranche ist das Amnog daher ein Dorn im Auge. Es werde als „reines Kostendämpfungsinstrument benutzt“, klagte die Hauptgeschäftsführerin des Pharmaherstellerverbandes VFA, Birgit Fischer. Innovationen würden „schlicht bestraft“.

Pharmalobby ist wütend

Die Wut der Pharmalobby ist naheliegend, da der Branche Milliardeneinbußen drohen. So wurden im vergangenen Jahr knapp 30 Milliarden Euro für Arzneimittel in Deutschland ausgegeben, davon knapp die Hälfte für neue, patentgeschützte Medikamente. Unter dem Strich hofft die schwarz-gelbe Bundesregierung, mit dem Amnog bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr einzusparen. Vor allem dann, wenn auch ältere Medikamente auf ihren Nutzen hin getestet werden, wie es Glaeske fordert.

Aus dessen Sicht sollten Arzneimittel auch lange nach Markteintritt erneut untersucht werden. Denn mitunter zeigen sich deren Risiken nicht in Teststudien mit einem sorgsam ausgewählten Publikum, sondern erst im Alltag.