Berlin. In deutschen Haushalten sind die vierbeinigen Familienmitglieder oft nicht mehr weg zu denken. Besonders Kinder und Senioren profitieren von der positiven Wirkung der Haustiere, hat nun eine Studie herausgefunden. Auch in Therapien werden diese oftmals eingesetzt.

Gans oder Kaltblutpferd - das sind die Tiere, mit denen Ingrid Stephan aggressiven Jugendlichen Gewalttätigkeit abgewöhnen würde. "Wie müssen wir an die Gans rangehen? Wie viel Abstand braucht sie? Immerhin ist sie ein Fluchttier", erklärt die Sozialpädagogin vom Institut für soziales Lernen mit Tieren.

Im Umgang mit Tieren lernen gewalttätige Jugendliche bei ihren Therapiesitzungen im niedersächsischen Lindwedel, was Respekt bedeutet. Stephan kämpft für eine Anerkennung tiergestützter Therapien in Deutschland. Beistand erhielt sie am Mittwoch von Mars Petcare, einem der größten Hersteller von Tiernahrungsmitteln. Deutschlandchef Loic Moutault veröffentlichte am Mittwoch in Berlin eine Untersuchung zu Deutschen und ihren Haustieren, die das Verhältnis der Menschen zu ihren tierischen Mitbewohnern vielseitig beleuchtet.

Die Deutschen trauen Tieren einiges zu

Etwa 1200 Menschen befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa zu ihrer Auffassung zu Haustier und Mensch. Dabei kam heraus, dass die Deutschen Tieren einiges zutrauen: Den Älteren geben sie das Geführ, noch gebraucht zu werden. Kindern lehren sie Verantwortungsbewusstsein. Und in Krisensituationen - etwa bei Trennungen - spenden sie Trost.

Dass Tiere in der Therapie sehr wichtig sind, bejahen 85 Prozent der Befragten. Die Bedeutung von Tieren bei der Beeinflussung der Gemütslage des Menschen oder in der Therapie interessieren die Forschung schon länger. Die Diplom-Psychologin Andrea Beetz von der Universität Rostock etwa beschäftigt hat mit Forschern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eine Studie darüber angefertigt, ob Kinder in Stress-Situationen von Hunden beruhigt werden können.

"Kuschel-Hormon" Oxytocin 

"Tatsächlich hat sich herausgestellt, dass sie mehr von einem Hund als von der Unterstützung durch eine nette Studentin profitieren", sagt Beetz. Im Beisammensein mit dem Hund werde das "Kuschel-Hormon" Oxytocin ausgeschüttet, das Stress reduziere und Bindung schaffe, sagt Beetz.

"Das funktioniert über Körperkontakt", der im Umgang der Menschen miteinander stark reglementiert sei. Ein Tier hingegen könne problemlos gestreichelt werden. Bei Menschen, die während ihrer Kindheit ungünstige Erfahrungen mit Bezugspersonen gemacht hätten, würden Tiere besonders gut helfen.

Haustiere machen glücklich

Einen Hinweis darauf, dass Haustiere glücklich machen, geben auch die Zahlen: Rund 22 Millionen Haustiere leben laut dem Industrieverband Heimtierbedarf in deutschen Haushalten. Davon sind etwa 8,2 Millionen Katzen und rund 5,4 Millionen Hunde. Mit einem Anteil von 32 Prozent sind Senioren ab 60 Jahren die größte Gruppe der Haustierhalter - mit steigender Tendenz. Vor allem die Zahl der Single-Haushalte mit Haustieren hat dem Verband zufolge deutlich zugenommen: Sie stieg zwischen 2000 und 2011 von 21 Prozent auf 28 Prozent.

Durch diese Entwicklung fühlt sich Zukunftsforscher Peter Wippermann vom Trendbüro Hamburg bestätigt: Er geht davon aus, dass die Bedeutung von Haustieren in den nächsten fünf bis sieben Jahren weiter zunehmen wird. Angesichts der Individualisierung der Gesellschaft, in der Menschen oft nicht mehr lebenslang mit demselben Partner zusammenbleiben, stelle das Verhältnis zum Haustier eine "stabile Beziehung" dar, sagt Wippermann.

Nicht selten entstehe eine "Vermenschlichung"

Er sieht aber auch Auswüchse der überbordenden Tierliebe, nicht selten sei eine "Vermenschlichung". In Japan gebe es schon Fitnessstudios für Hunde und eigene Restaurants. In dem fernöstlichen Land sei auch schon zu beobachten, wo die Entwicklung hingeht: Die Nachfolger der Haustiere "werden Roboter sein", sagt Wippermann. Um in der Therapie nützlich zu sein, müssten diese aber entweder kuschelig sein - oder sich wie Ganz und Kaltblutpferd benehmen. (AFP)